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auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der

VG-Wort beschlossen. Dies verschafft den betroffenen Verla-

gen vorerst eine Atempause. Parallel wird jedoch weiter über

Hilfsmodelle für in Not geratene Verlage diskutiert. Womög-

lich wird einmal mehr die Forderung nach grundsätzlicher

staatlicher Unterstützung für Verlage laut – Modelle hierfür

gibt es in Österreich, Frankreich und der Schweiz. Anders als

dort gibt es auch hierzulande und speziell in Bayern bereits

eine punktgenaue und dezidierte Förderung für Verlage. Sie

erfolgt in Form des Bayerischen Kleinverlagspreises und ist

explizit eine Auszeichnung für qualitätsvolle Programme,

die unabhängige Verlage immer wieder hervorbringen. Als

Verleger des unabhängigen Mixtvision Verlags, Mitglied des

Vorstand des Börsenvereins / Landesverband Bayern und als

glücklicher erster Träger des bayerischen Kleinverlagspreises

möchte ich meinen Gastbeitrag in aviso als Gelegenheit nut-

zen, einen Einblick in die Praxis der Kleinverlage zu geben –

und unaufdringlich und trotzdem unüberhörbar die Bedeu-

tung der engagierten Arbeit zahlreicher VerlegerkollegInnen

hervorzuheben. Alle scheinen ein Entdecker-Gen in sich zu

tragen, das sie immer wieder antreibt, nach unbekannten

Talenten, neuen Themen, vergessenen AutorInnen zu suchen.

Kleinverlage setzen Trends

Wie sehr die kleinen Verlage mit ihren inhaltlichen Ausrich-

tungen oftmals am Puls der Zeit arbeiten oder sogar diesem

voraus, zeigt beispielsweise die Geschichte des 1990 in Mün-

chen gegründeten A1 Verlags. Mit sicherem Gespür für die

wegweisenden literarischen Strömungen setzte Verleger Albert

Völkmann auf AutorInnen, die sich nach ihrer Emigration als

Nicht-Muttersprachler für das Deutsche als Schreibsprache

entschieden haben. Was einst eine Nische war, ist heute das

Epizentrum der Programme literarischer Publikumsverlage:

ob Luchterhand, Hanser oder Suhrkamp – sie alle führen die

einst als »MigrationsautorInnen« bezeichneten Schriftstel-

lerInnen, die heute die Impulsgeber der Gegenwartsliteratur

sind, in ihren Programmen. Doch es waren die kleinen und

unabhängigen Verlage (neben A1 z. B. auch Jung & Jung oder

Rotbuch), die als Trend-Scouts und Talentschmieden fun-

gierten und die Debüts heute namhafter Autoren wie z. B.

Feridun Zaimoglu oder Sherko Fatah herausbrachten. Jenseits

des Mainstreams und der oftmals engen Strukturen großer

Verlage konnten sie ihre exzeptionelle Prosa verfassen, sich

ausprobieren und vorwärtsschreiben.

DIESE VERLEGERISCHE FREIHEIT

weiß auch der diesjährige Trä-

ger des bayerischen Kleinverlagspreises, Dieter Lohr, zu schät-

zen: »Wenn einem kein Zwang zur Quantität imNacken sitzt,

kannman sich den Luxus leisten, sein ganzes Augenmerk auf

die Qualität zu legen.... Je kleiner der Verlag, ... desto gerin-

ger ist der Bestseller-Druck, und desto freier ist man, zu ver-

legen, was man für richtig oder wichtig oder einfach nur für

schön hält.« Mit seinem 2004 in Regensburg gegründeten

LOhrBär-Verlag ist er sowohl inhaltlich als auch akustisch

auf regionale Hörbücher spezialisiert und bringt es fertig,

mehrere ganz im bairischen Dialekt gesprochene Hörspiele

DER PREIS FÜR EINEN BAYERISCHEN

KLEINVERLAG

Der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus,

Wissenschaft und Kunst vergibt seit 2009 einen Preis

für einen bayerischen Kleinverlag (dotiert mit 7500 Euro).

Der Preis würdigt die Leistungen bayerischer Verlege-

rinnen und Verleger, die auf dem Buchmarkt mit qua-

litätvollen Programmen und eigenen gestalterischen

Profilen ihrer kleinen und unabhängigen Verlage die Ver-

lagslandschaft wesentlich bereichern. Bewerben können

sich Verlage mit einem Jahresumsatz bis ca. 1 Mio. Euro,

die ihren Sitz in Bayern haben.

Bisher ausgezeichnet:

2009 mixtvision Verlag, München

2010 lichtung verlag, Viechtach

2011 edition fünf, Gräfelfing

2012 starfruit publications, Nürnberg

2013 Horncastle Verlag, München

2014 Volk Verlag, München

2015 Sieveking Verlag, München

2016 LOhrBär-Verlag, Regensburg

zu vertreiben, »... unabhängig davon, ob sich ein

Millionenpublikum drauf stürzen wird oder ›nur‹

eine Handvoll Liebhaber oder Avantgardisten.«

Sie wissen, was sie tun

Angesichts der oftmals sehr eng kalkulierten wirt-

schaftlichen Tragfähigkeit mancher Kleinverlage

könnte man auf die Idee kommen, verlegerische

Blauäugigkeit zu bescheinigen. Doch dieser Ver-

mutung muss widersprochen werden: Der Spagat

zwischen demBekenntnis zu den Inhalten und der

damit eingehergehenden größeren Risikobereit-

schaft, was die ökonomischen Seiten betrifft, ist

den KleinverlegerInnen durchaus bewusst. So ent-

scheidet auch SilkeWeniger, Geschäftsführerin des

kleinen literarischen Verlags edition 5, der sich auf

Werke internationaler Autorinnen spezialisiert hat,

manchmal, wie sie sagt »... gegen jede geschäfts-

mäßige Vernunft.« Und wird gerade dafür belohnt.

»Bücher wie Anne Gerrétas großartiger Roman

»Sphinx« würden es nicht auf den deutschenMarkt

schaffen, wenn nicht ein kleiner Verlag sein ästhe-

tisches und aktuelles gesellschaftliches Potential

entdeckt hätte. Dieser Roman erregte bei seinem

Erscheinen in Frankreich vor dreißig Jahren große

Aufmerksamkeit und blieb aufgrund seiner beson-

deren Konstruktion bis 2016 unübersetzt. Heute

begeistert es die deutschen Feuilletons.«