Weihbischof Siebier
beim
Gespräch
mit
GünterWallner
(rechts)
und
Wilhelm
Künecler von der
Redaktion
SCHULE
11/duell
beheimatet fühlen. Die Kirche muß als Lebensraum für
die jungen Menschen wieder attraktiv werden.
Der Gottesdienst z. B. darf nicht nur eine rationale Ange–
legenheit sein, da müssen auch die Sinne angesprochen
werden. Wenn also junge Leute den Gottesdienst auch
einmal mit etwas ungewöhnlichen Mitteln gestalten wol–
len, so sollten die Älteren dies tolerieren - auch wenn es
ihnen nicht leicht fällt. Toleranz der Älteren gegenüber
den Jüngeren und umgekehrt ist-aber nicht nur beim Got–
tesdienst, sondern für das gesamte Leben in einer Pfarr–
gemeinde notwendig.
Die Schule soll den Schülern eine ethische Orientierung
vermitteln, so die Leitsätze. Viele denken dabei sofort an
den erhobenen Zeigefinger!
Auch bei der ethischen Orientierung ist das vorgelebte
Beispiel wichtig. Der Lehrer muß z. B. Rücksichtnahme
wirklich vorleben. Im begrenzten Raum der Schule müs–
sen junge Leute ethische Grundsätze lernen und einüben,
damit sie diese ein Leben lang praktizieren können.
ln welchen konkreten Bereichen erscheint Ihnen diese
ethische Orientierung besonders wichtig?
Gerade dort, wo wir die Schüler zur Kritik erziehen gegen
falsche Leitbilder und falsche Normen. Das ist z. B. dort
der Fall, wo Geld und Leistung als einzige Wertmaßstäbe
gelten oder wo junge Menschen zu willigen Konsumenten
erzogen werden.
·
Sicher ist eine ethische Orientierung auch im Bereich der
Sexualität notwendig. Allerdings kritisieren gerade Ju–
gendliche in diesem Punkt die Haltung der Kirche.
Ich glaube, daß es der Kirche in den letzten Jahren nur
begrenzt gelungen ist, den Jugendlichen das, was Sexua–
lität bedeutet, positiv zu vermitteln. Heute ist es doch so,
daß Sexualität oft als Konsumware gesehen wird. Die Kir–
che muß in einem viel stärkeren Maß den Menschen be–
wußtmachen, daß zur Selbstfindung, aber auch zur richti–
gen Partnerschaft der verantwortliche Umgang mit der
Sexualität gehört.
Sind dazu Normen notwendig, an
d~nen
sich doch heute
viele reiben?
Es ist die Aufgabe der Kirche, klare Normen zu setzen.
Sie muß den jungen Leuten wirklich sagen, was richtig
10 SCHULE
aktuell
und was falsch ist. Allerdings darf man dabei das Gewis–
sen nicht außer acht lassen, mit dessen Hilfe der einzelne
eigenverantwortlich mit diesen Normen umgehen kann.
Ein Gewissen ist aber nicht automatisch da, sondern es
muß erst entstehen. Gerade deshalb müssen wir unseren
jungen Leuten bei der Ausbildung eines am christlichen
Weltbild orientierten Gewissens helfen.
Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang ist der ver–
antwortliche Umgang mit der Natur.
Es ist wichtig, daß wir in unseren jungen Leuten die Ehr–
furcht vor der Schöpfung wecken und sie motivieren, ver–
antwortlich mit der Natur umzugehen; nur so werden sie
in einer hochindustrialisierten Welt ohne Ängste leben
können. Jungen Menschen da zu sagen, das ist der ge-
, ,
Es ist Aufgabe c/er Kirche,
klare Normen zu setzen''
schützte Vogel des Jahres oder jenes
Spr~y
darfst du
nicht verwenden, das genügt sicherlich nicht. Die Kirche
bemüht sich hier, Zeichen zu setzen - denken Sie nur an
die Umweltbeauftragten in den Diözesen.
Wo sehen Sie den Ansatz für eine christliche Ökologie?
Ich würde hier lieber von einer "Ökologie aus christlicher
Verantwortung" sprechen. Als Christ sehe ich ja die Welt
als Werk Gottes, ich habe also eine angeborene Verant–
wortung für die Schöpfung.
Herr Weihbischof, zum Schluß einige persönliche Fragen.
Hatte der Schüler Engelbert Siebier immer die Note 1 im
Fach Religion?
Er hätte oft die Note 1 gehabt, wenn die Religionslehrer
die Fragen gestellt hätten, die ihn interessiert haben. Das
haben sie nicht immer getan.
·
Könnten Sie sich ein Leben in einem anderen Beruf vor–
stellen?
Ja, selbstverständlich. Es gäbe noch viele schöne Berufe,
die ich gerne ausüben .würde. Reiseleiter wäre z. B. so ein
Beruf. Ich würd' gern mal mit einer Gruppe durch den
nahen Orient zu Fuß gehen.
Welche Hobbys haben Sie?
Hobbys hätte ich viele, leider fehlt mir die Zeit dazu. Da
wäre z. B. das Reisen, früher habe ich auch gern photo–
graphiert- ich hatte sogar ein PhotoIabor. Heute komme
ich nur mehr zum Bergwandern und gelegentlich zum
Tennisspielen. Wissen Sie, mein ehemaliger Mesner ist
ein gefragter
T
ennistrainer.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Daß ich Interesse für unsere Kirche wecken kann, für un–
sere Kirche und ihre Botschaft. Daß ich Menschen begeg–
ne, die auf der Suche sind, Menschen, die sich anstecken
lassen von der Erlösung, von der Befreiung, die Christus
uns gebracht hat.