Schule & Wir 1|2014 - page 5

Frontalunterricht ist schlecht
Ein vielfach verbreiteter Glaube ist auch, Frontalunterricht sei
grundsätzlich schlecht und solle am besten gar nicht mehr prak-
tiziert werden. Hier liegt jedoch ein Missverständnis vor: Frontal-
unterricht wird mit dem Lehrervortrag verwechselt. Lehrervortrag
bedeutet, dass der Lehrer vor der Klasse doziert und die Schüler
lediglich zuhören oder mitschreiben. Dies sollte an der Schule in
der Tat die Ausnahme sein. Frontalunterricht ist dagegen etwas ganz anderes. Der Lehrer
plant das Unterrichtsgeschehen exakt, steuert und regt die Schüler durch gezielte Fra-
gen oder Arbeitsaufträge dazu an, dem
Unterricht gedanklich zu folgen und das
gewünschte Lernziel zu erreichen. Gerade
schwächere Schüler oder auch solche mit
Konzentrationsschwierigkeiten kommen
mit einem derart lehrerzentrierten Un-
terricht meist wesentlich besser zurecht
als mit offenen Unterrichtsformen. Es ist
sogar wissenschaftlich nachgewiesen, dass
ein gut gestalteter Frontalunterricht offe-
nen Unterrichtsformen wie Lernzirkeln im
Hinblick auf kognitive Lernziele deutlich
überlegen ist.
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Irrtum
Immer wieder heißt es in der
Diskussion über gute Bildung,
die Ziffernnoten von Eins bis
Sechs gehörten abgeschafft. Sie
seien ein veraltetes Instrument
der Leistungsbeurteilung und
sollten durch umfassende Persönlichkeitsgutachten
ersetzt werden. Dagegen spricht erstens: Lehrkräfte
erleben Kinder und Jugendliche nur in ganz bestimm-
ten Situationen – imUnterricht, in der Pause, seltener
bei Schulausflügen oder Projekten. Sie können die
Persönlichkeit eines Schülers oder einer Schülerin
nicht umfassend beurteilen, weil sie nur einen kleinen Ausschnitt
davon im Schulalltag erleben – zumal Kinder in der Entwicklung
auch noch nicht über stabile Persönlichkeitsmerkmale verfügen. Und
zweitens: Persönlichkeitsgutachten sind in höchstem Maße fehleran­
fällig. Max erbringt in Biologie und Geschichte schlechte Leistun-
gen, weil er offenbar zu wenig lernt. Aber kann man daraus wirklich
schließen, dass Max faul ist? Es könnte ja auch sein, dass sich gerade
seine Eltern trennen und er einfach andere Dinge im Kopf hat.
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Irrtum
Fotos: fotolia
Der erfahrenste
Lehrer ist der
beste Lehrer
Lehrkräfte verfügen
nach etlichen Berufs-
jahren über eine immer
größere Berufserfahrung.
Aber der erfahrene Pädagoge ist nicht automatisch
der bessere Lehrer. Persönliche Erfahrungen sind
wertvoll – aber sie können keinesfalls einen An-
spruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Dazu
müssen sie objektiv begründbar und empirisch
belegbar sein. Ein bloßes „Das habe ich immer
schon so gemacht!“ reicht als Rechtfertigung
für ein bestimmtes Vorgehen nicht aus.
4
Irrtum
Ziffernnoten sind abstrakt und
bilden den Wissensstand ab,
der durch Prüfungen ermittelt
wurde. Nicht mehr, aber auch
nicht weniger. Sie sagen nichts
über den Wert einer Person aus,
sie geben kurz und knapp Rück-
meldung darüber, wo ein Schü-
ler in einem Fach steht und ob
er einen bestimmten Leistungs-
stand erreicht hat. Auch die Kin-
der selbst wollen in der Regel
wissen, wo sie im Vergleich zu
den anderen stehen – sie wollen
sich vergleichen. Für Max gilt:
Eine Sechs in Biologie kann er
relativ einfach wieder ausglei-
chen – ein „Max ist ein fauler
Schüler“ hängt ihm möglicher-
weise ewig nach.
Noten müssen abgeschafft werden
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