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Mobilisierung durch Populismus?
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
2016 war das Jahr, indem man das Gefühl bekommen
konnte, mit der Wahlbeteiligung gehe es nach Jahren
des Rückschritts wieder aufwärts. Bei allen fünf Land-
tagswahlen 2016 stieg die Wahlbeteiligung deutlich an
und lag in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vor-
pommern sogar zehn Prozentpunkte höher, als noch
bei der letzten Landtagswahl. Mit der „Alternative für
Deutschland“
(AfD) zog eine Partei in die Landtage ein,
die vorher noch nicht dort präsent gewesen war. Viele
Beobachter aus den Medien und der Politik setzten diese
zwei Phänomene in direkten Zusammenhang zuein-
ander und analysierten, dass die AfD mitentscheidend
für den Anstieg der Wahlbeteiligung gewesen sei und
zunehmend vormalige Nichtwähler/-innen zurück in die
Wahlkabinen gebracht habe.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der genaueren Unter-
suchung dieses Zusammenhangs und will darüber hinaus
der geschilderten Vermutung der Wahlkommentatoren
auf den Grund zu gehen. Sind AfD-Wähler/-innen in sig-
nifikanter Zahl vormalige Nichtwähler/-innen? Steigt die
Wahlbeteiligung aufgrund des Erfolgs dieser neuen Partei?
Und welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen für
die anstehende Bundestagswahl ziehen?
Bei der Beantwortung dieser Fragen will dieser Bei-
trag aber auch über die bundesdeutsche Ebene hinaus
auf andere europäische Staaten blicken, denn dort exis-
tieren Parteien, die der AfD nicht unähnlich sind. In
Frankreich und den Niederlanden stehen 2017 ebenfalls
Wahlen an, bei denen Marine Le Pen und Geert Wilders
als rechtspopulistische Kandidaten große Chancen zuge-
rechnet werden.
Der Beitrag beginnt mit einem kurzen Überblick über
die Entstehung rechtspopulistischer Parteien in Europa,
widmet sich der Sozialstruktur ihrer Wähler/-innen, un-
tersucht die Nichtwähler/-innen auf ihre Sozialstruktur
hin und vergleicht diese mit den AfD-Wähler/-innen.
Nach dieser eher theoretischen Gegenüberstellung werden
Wahlergebnisse aus Deutschland und Europa auf den in
diesem Beitrag im Fokus stehenden Zusammenhang hin
analysiert, um abschließend zu einem Ausblick auf die an-
stehende Bundestagswahl 2017 zu kommen. Sollten die
etablierten Parteien des politischen Spektrums Angst vor
dem Lager der Nichtwähler/-innen haben oder ist diese
vereinzelt geäußerte Sorge unbegründet?
Ergebnis der Landtagswahl in Baden-Württemberg
am 13. März 2016
2016
Zweitstimmen (in Prozent)
SPD
12,7
CDU
27,0
Die Linke
2,9
Grüne
30,3
FDP
8,3
AfD
15,1
Wahlbeteiligung
70,4%
2011
Zweitstimmen (in Prozent)
SPD
23,1
CDU
39,0
Die Linke
2,8
Grüne
24,2
FDP
5,3
Wahlbeteiligung
66,3%
Quelle: Statistisches Amt Baden-Württemberg, http://www.statistik.baden- wuerttemberg.de/Wahlen/Landtag/02035000.tab?R=LA [Stand: 23.02.2017]Plakat einer Gegendemonstration am 21. Januar 2017 in Koblenz
Foto: ullstein bild/Reuters/KAI – Fotograf: Pfaffenbach