Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 55

Die Rationalität der Etappen europäischer Integration 1939–2013
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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Die Erweiterung der Europäischen Union
Abbildung: Bergmoser + Höller
der 1988 vorgelegte Cecchini-Bericht (
„The Cost ofNon-
Europe“
), in dem sehr rational die Kosten beim Nichtzu-
standekommen des Binnenmarktes vorgerechnet wurden,
das „Delors-Paket“, welches eine Reform des Finanzie-
rungssystems, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und
die Aufstockung des Strukturfonds der EG vorsah, sowie
der „Drei-Stufen-Delors-Plan“ zur Schaffung einer Wirt-
schafts- undWährungsunion (WWU) machten die neue Ra-
tionalität der Integrationsabsichten deutlich.
Deutschlands Einigung, Maastricht und die
Erweiterung um drei Neutrale
Der Fall der Berliner Mauer 1989 und der deutsche Eini-
gungsprozess, der am 3. Oktober 1990 zur staatlichen Ein-
heit Deutschlands führte, hatten die übrigen EG-Partner
alarmiert und beunruhigt. Am 9. und 10. Dezember 1991
stimmten die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel
von Maastricht der Schaffung einer Wirtschafts-, Wäh-
rungs- und politischen Union mit Aufwertung der Westeu-
ropäischen Union (WEU) und einer Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik (GASP) zu. Am7. Februar 1992 wur-
de der Vertrag unterzeichnet, der ein Erfolg war, obwohl die
Wirtschaftsunion nicht realisiert wurde. Er sollte jedenfalls
einen festeren Rahmen für die Kontrolle des vergrößerten
Deutschlands bilden. Das alte, sehr von politischer Vernunft
geleitete deutschlandpolitische Motiv für die Entstehung
von EGKS und EWG war einmal mehr treibend.
Die Erfüllung der Konvergenzkriterien zur Ge-
währleistung der Bedingungen für die „Wirtschafts- und
Währungsunion“ (WWU) machte Budgetsanierungen,
Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen erforderlich. Der
Ratifizierungsprozess war umstritten (trotz fehlender Ab-
stimmungsmöglichkeit in der Bundesrepublik, vor allem
aber in Dänemark und Frankreich, wo es Referenden geben
sollte), zog sich hin und drohte den Beitrittswunsch der
Neutralen und Norwegens zu verzögern, bis der Europäi-
sche Rat in Lissabon am 26./27. Juni 1992 die Wende für die
Befürworter einer Erweiterung um die EFTA-Staaten
brachte. Am 1. November 1993 trat der Maastrichter Ver-
trag in Kraft, nachdem auch das deutsche Bundesverfas-
sungsgericht in Karlsruhe grünes Licht gegeben hatte.
Mit der weitgehenden Realisierung des Binnen-
markts (1. Januar 1993) war ein Haupterfordernis der Ver-
tiefung erfüllt worden und der Weg für Verhandlungen mit
den Beitrittsbewerbern (1993–1994) frei: Am 1. Januar 1995
traten Schweden, Österreich und Finnland nach den kür-
1...,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54 56,57,58,59,60,61,62,63,64,65,...72
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