STMUK_Handreichung_Organspende_2021_Web_BF

59 Standpunkte der Weltreligionen Christentum Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 1990 eine gemeinsame Erklärung zur Organtransplantation herausgegeben. Seitdem haben in beiden Kirchen (paral lel zu den Diskussionen um den Entwurf für das Transplantationsgesetz) Aus einandersetzungen über dieses Thema stattgefunden, besonders zur Frage der Feststellung des Todes. - ­ Beide Kirchen haben die Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997 begrüßt und nochmals betont, dass die Organspende ein Akt der Nächstenliebe sein kann. In der gemeinsamen Erklärung von 1990 heißt es unter anderem: „Nach christlichem Verständnis ist das Leben und damit der Leib ein Geschenk des Schöpfers, über das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger Gewissensprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf.“ „Wer für den Fall des eigenen Todes die Einwilligung zur Entnahme von Organen gibt, handelt ethisch ver antwortlich, denn dadurch kann anderen Menschen geholfen werden, deren Leben aufs Höchste belastet oder gefährdet ist. Angehörige, die die Einwilligung zur Organtransplantation geben, machen sich nicht eines Mangels an Pietät gegenüber den Verstorbenen schuldig. Sie handeln ethisch verantwortlich, weil sie ungeachtet des von ihnen empfundenen Schmerzes im Sinne des Verstorbenen entscheiden, anderen Menschen beizustehen und durch Organspende Leben zu retten.“ - „Nicht an der Unversehrtheit des Leichnams hängt die Erwartung der Auferstehung der Toten und des ewigen Lebens, sondern der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben aufer weckt.“ - „Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten.“ Die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte im Juli 2015 die Handreichung zum Thema „Hirntod und Organspende“. Die Studie bemüht sich um einen ganzheitlichen Blick auf die moderne Transplantationsmedizin. Sie reduziert das komplexe Phänomen nicht auf rechtliche, medizinische, wirtschaftliche und andere Einzelaspekte, sondern hebt die anthropologischen, ethischen und spirituellen Implikationen der Transplantation hervor. Eine vergleichbare Handreichung mit dem Titel „leben und sterben im Herrn“ hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern im Jahr 2014 herausgegeben. Judentum Im jüdischen Glauben gibt es kein einheitliches Meinungsbild zur Organ- und Gewebespende. Ein Mensch gilt nach der jüdischen Gesetzesauslegung, der Halacha, erst als tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt. Der Hirntod ist ent sprechend der Halacha nicht dem Tod des Menschen gleichzusetzen. Für ortho doxe Juden lässt diese Auffassung eine Organentnahme bei Hirntoten ent sprechend dem Transplantationsgesetz nicht zu. - - ­ Sie berufen sich ebenso auf ein Grundprinzip der jüdischen Religion, wonach der menschliche Körper eigentlich Gott gehört und nur als Leihgabe angesehen werden darf. Nach einer Organentnahme kann der Körper nicht mehr unversehrt beerdigt werden. Für viele liberale Juden ist es wichtiger, ein menschliches Leben zu retten als die Unversehrtheit des Körpers sicherzustellen. Sie stehen einer Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Auch das oberste Rabbinat Israels hat Ende der 80er Jahre ein positives Zeichen gesetzt, indem das Hirntodkonzept offiziell anerkannt wurde.

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