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aviso 3 | 2017

AFRIKA IN BAYERN

BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE

Der Ethnologe

Dr. Stefan Eisenhofer

ist Leiter der Abteilungen Afrika

und Nordamerika am Museum Fünf Kontinente in München.

Karin Guggeis M.A.

ist Ethnologin und betreut im Museum Fünf Kontinente

die Sammlungen Fotografie und Manuskripte & Schriften.

»LIEBESGESCHENKE« UND ZEICHEN VON »HAUSFLEISS«

KAFFEEKÖRBCHEN DER HIMA IM MUSEUM FÜNF KONTINENTE

DINGE IN MUSEUMSSAMMLUNGEN

überdauern

idealerweise Moden und Zeitströmungen, stehen

immer wieder auch im Gegensatz zu populären

Geschmäckern und Ansichten. Auch die Depots

im Museum Fünf Kontinente in München beher-

bergen viele Objekte und Kunstwerke, die oft über

Jahrzehnte hinweg wenig Beachtung erfuhren.

Aber durch Veränderungen im Zeitgeist rücken

sie stärker in den Fokus, ermöglichen neue Sicht-

weisen, erlauben aktuelle Fragestellungen. Und

nicht selten ist die Wertschätzung von Objekten

ein stetiges Auf und Ab. Beispielhaft stehen hierfür

die Flechtarbeiten imAfrika-Depot des Museums.

So lautet etwa der Eintrag im Inventarbuch im

Jahr 1905 über eine damals dem Museum ver-

machte Schenkung: »An Flechtwaren sind be-

sonders eine Anzahl sehr schön gearbeiteter Kaf-

feekörbchen hervorzuheben«. Damals also wurde

von demMuseumsmitarbeiter die Kunstfertigkeit und Qualität dieser

Gegenstände erkannt und anerkannt. Doch in den folgenden Jahrzehn-

ten gerieten diese Körbchen etwas in Vergessenheit. Sie teilten damit

das Schicksal vieler anderer Flechtarbeiten, die über lange Zeiträume

hinweg im Schatten von Masken, Holzskulpturen und Metallplasti-

ken standen. Als von Frauen gefertigte Dinge wurde diesen kleinen

Meisterwerken vielfach und vielerorts von der männlich dominierten

Museums-, Händler- und Sammlerwelt wenig Beachtung geschenkt.

Die virtuose Verarbeitung pflanzlichen Materials interessierte nur

wenig, die starke ästhetische Ausstrahlung dieser Arbeiten wurde nur

von wenigen wahrgenommen.

ERST IN DEN LETZTEN

etwa 20 Jahren werden die ästhetischen Qua-

litäten, die aufwändige Verarbeitung und der große Formenreichtum

dieser Flechtarbeiten von breiteren Kreisen geschätzt – angeregt auch

durch einflussreiche, engagierte und couragierte Sammler wie den

Bildhauer Fritz Koenig aus Landshut.

Die »Kaffeekörbchen« wurden in der Regel am Gürtel getragen. In

ihnen befanden sich die Bohnen des lokal angebauten Kaffees, die als

Genussmittel roh gekaut wurden. Über ihren rein funktionalen Cha-

rakter hinaus dienten die Körbchen aber infolge ihrer zeitaufwändi-

gen Herstellung vor allem als Zier- und Prestigeobjekte. Darüber hin­

aus waren sie besonders bedeutsam durch die Art ihres Erwerbs: Es

waren »Liebesgeschenke“, die man gewöhnlich nur als Gunstbeweis

geschenkt bekam.

DIE AUS UNGLAUBLICH

dünnen Pflanzenfaserstreifen gearbeiteten

und dadurch sehr geschmeidigen Flechtarbeiten aus dem ostafrikani-

schen Zwischenseengebiet gelten als die feinsten innerhalb des gesamten

Kontinents Afrika. Die Deckelkörbchen wurden als »Hausfleiß«, so der

Afrika-Forscher Jan Czekanowski im Jahr 1917, innerhalb der Familie

gefertigt und nicht, wie ihre kunstvolle Ausfertigung vermuten ließe,

gewerbsmäßig von speziellen Handwerkern. Als Herstellerinnen gelten

vor allem die Frauen und Töchter der Oberschicht der Hima. Von der

Feld- und Hausarbeit befreit, konnten sie ihre Mußestunden mit dem

Flechten solch arbeitsaufwändiger Objekte zubringen.

Text:

Stefan Eisenhofer

und

Karin Guggeis

linke Seite

Vorratskorb, Ruanda, um 1930.

rechte Seite oben

Kaffeekörbchen, Hima-Region, Tansania, um 1900, Höhe 6,5-7 cm.

rechte Seite links unten

Mütze aus Fasern der Raffia-Palme,

Kongo-Region, frühes 19. Jh.

daneben

Kaffeekörbchen, Hima-Region, Tansania, um 1900, Höhe 7 cm.

darunter

Deckel für Biergefäße, Ruanda, um 1900.