Table of Contents Table of Contents
Previous Page  12 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 52 Next Page
Page Background

|12|

aviso 3 | 2017

AFRIKA IN BAYERN

COLLOQUIUM

oder doch wegen Unkunde einer europäischen oder auch nur

der arabischen Schriftsprache nicht im Stande sind, über ihre

früheren Verhältnisse sich genauer zu erklären. / 2.

Morgàn

; –

woher, weiß er nicht; er ist wahrscheinlich ein

Nubier

, – unge­

fähr 12 Jahre alt. – / 3.

Bellal

, wurde, wie er sagt, vorhin

genannt

Ghiàlo Djondan Arréh

, und geboren in dem Orte

Dokhok’n

in dem Lande

Kordofan

. Das Alter ist ungefähr

15 Jahre. – 4.

Salim

, in der Heimath genannt

Salim Kamis

Motekudù

, geboren zu

Metkem

im Lande

Darfur

. Sein Alter

scheint zwischen 15 und 16 Jahren zu seyn. / 5.

Hassan

/ :

vorhin genannt

Thinneh (?)

: / geboren in

Kolfan (?)

imLande

Kordofan

– ungefähr 12 bis 13 Jahre alt. / Nach vorausge-

gangenem christl[ichen]Unterrichte wurden selbe getauft

und erhielten folgende Namen – und Taufpathen: / 1.

Has-

san

, Taufname

Maximilian

, Pathe: S[ein]e Hoheit der Her-

zog Max in Bayern, vertreten durch H[er]r[n] Baron Carl

v[on] Busseck

[síc]

. / 2.

Osman

, Taufname

Theodo

, Pathe: Ihre

Hoheit die Herzogin Theodolinde von Leuchtenberg, vertre-

t[en] durch Ignaz Götzl, herzogl[ich] Leuchtenberg[ischer]

Kanzley Sekretär. / 3.

Morgàn

, Taufname:

Alexander

, Pathe:

Graf

Jenison

, Lieutenant im K[öniglichen] Cürassier-

Regimente dahier. / 4.

Bellal

, Taufname

Carolus

, Pathe:

Carl

Tutscheck

[síc]

, Lehrer der fünf Mohren dahier. / 5.

Salim

,

Taufname

Georgius

, Pathe: Georg Lankensperger,

ehemal[iger] Wagenfabrikant dahier. – / Die Taufe geschah

feyerlich in der Kirche amCharsamstage den 30

ten

März 1839

Morgens zwischen 8

½

und 9

½

Uhr, und wurde

praes. R. D.

Parocho ceteroque Clero

vom Domkapitular Titl. H[er]r[n]

Balthasar Speth vorgenommen.«

ährend Osman alias Badià Akafètè Dallè alias Theo-

do, Morgàn alias Alexander, Bellal alias Ghiàlo

Djondan Arréh alias Karl (Carolus) und Salim alias

Salim Kamis Motekudù alias Georg im Haushalt von Her-

zog Max imHerzog-Max-Palais an der Ludwigstraße lebten,

hatte Hassan alias Thinneh (?) alias Maximilian auf Schloss

Burgellern bei Bamberg, dem Familiensitz der Barone von

Buseck, eine neue Heimstatt gefunden, war dort zunächst

eine Zeit lang auf dem freiherrlichen Gute als Gärtner tä-

tig, und erbat später seinen ihm auch gewährten Abschied,

womit sich seine Spur verliert. Die in München wohnenden

Sudanesen wurden ab November 1838 vom Juristen, Prinzen-

erzieher und Sprachforscher Karl Tutschek (1815-1844) – dem

Paten von Ghiàlo Djondan Arréh – unterrichtet. In ständi-

gem Kontakt mit den ehemaligen Sklaven erlernte Tutschek

deren Sprachen und verfasste auf der Grundlage der ihm von

den Sudanesen mitgeteilten Informationen nicht nur ein ers-

tes Oromo (Galla)-Wörterbuch (

Lexicon der Galla Sprache

),

sondern auch die erste Grammatik der Oromo (Galla)-Spra-

che (

A Grammar of the Galla Language

sowie

Grammar and

Dictionary of the Galla Language

), die 1844/1845 posthum

von seinem Bruder Lorenz Tutschek (1817-1888), dem Leib-

arzt von König Ludwig I., herausgegeben wurden.

So avancierte Karl Tutschek zum Pionier der afrikanischen

Sprachforschung; über die von ihm erzielten sprachwissen-

schaftlichen Resultate resümiert Hyacinth Holland (1827-

1918) in seinem Eintrag zu Herzog Maximilian in Bayern in

der

Allgemeinen Deutschen Biographie

(1906): »Die Häup-

ter dieses Menschenquartetts waren aus ihrer Heimath, dem

schwärzesten Afrika, gestohlen und durchHändler nach Cairo

verschleppt: Akafed-e-Dalle aus Borchi in Hambo (Provinz

Liban, vom Stamme der Boranna), welcher außerordentlich

talentvoll und bildungsfähig, die Hauptquelle zur Erforschung

der weichen, fast italienisch-wohlklingenden Gallasprache

abgab, aber schon am 17. Mai 1841

[sic]

in deutscher Erde begra-

ben wurde. Der Zweite, Djalo Djondan Aré, stammt aus dem

Volke der Yumale, geboren als Neffe des Fürsten von Talke

zu Delin-gitte in Tumale-Tokoken, handhabte eine harte, hol-

perige Sprache. MussalamMote-Kutu aus Methem (südlich

von Kobbe), sprach das Darfur-Idiom. Als der originellste

galt der zwölfjährige Denka Awan [= Morgàn], welcher in

zitternder Angst, geschlachtet und verspeist zu werden, sei-

nem neuen Gebieter die Füße küsste und dann sein treues-

ter Diener wurde. Da sich alle des arabischen Vulgärdialektes

in nothdürftiger Weise behalfen, so wurde dieser die Brücke

zur weiteren abendländischen Verständigung für Karl Tut-

schek, welcher (…) damals als Lehrer der neueren Sprachen

für den Prinzen Ludwig thätig, als ausgezeichneter Philolog

auch das Hebräische, Arabische und Sanskrit in den Kreis

seiner Studien gezogen hatte. Mit unermüdlichemEifer legte

er nun dieWünschelruthe seiner Wissenschaft an diese Natur­

menschen und gewann ein so ergiebiges Material, daß er schon

am 2. Januar 1841 der Akademie der Wissenschaften eine

Abhandlung über die Gallasprache vorlegen konnte. Kron-

prinz Maximilian war darob so erfreut, daß er daran dach-

te, den unermüdlichen Tutschek durch ein Reisestipendium

für längere Zeit nach Südafrika zu senden, als dessen am

6. September 1844 erfolgter frühzeitiger Tod alle diese lingu-

istischen Pläne brach legte.«

In seiner am 18. März 1841 erschienenen Abhandlung

Ueber

die Galla, mit Rücksicht auf Tumale Darfur und Dar Denka

schreibt Karl Tutschek einleitend: »Zog mich schon die Neu-

heit der Sache an sich sehr an, so war es nochmehr die wissen-

schaftliche Neugierde, ob es nicht möglich sey, wissenschaftlich

Interessantes über die Heimath und die früheren Verhältnisse

dieser armen Kinder zu erfahren und so vielleicht nur Etwas

zur näheren Erforschung des noch so sehr unbekannten Africa

beytragen zu können.« Über den von Tutschek aus diesem

Kontakt erhofften wissenschaftlichen Ertrag heißt es dann:

»Ich lernte dort vor allem die Leute kennen, mit denen ich es

zu thun hatte und erfuhr, daß ich die Repräsentanten

von

vier verschiedenen Völkern

, einen

Galla

, einen

Umale

, einen

Darfurianer

und einen aus

Dar Denka

vor mir hatte, die aus

ihrer Heimath gestohlen und durch die Barbarey des ägypti-

schen Sklavenhandels aus dem Innern von Afrika an den Nil

verkauft, nur durch das Bedürfniß gegenseitiger Verständi-

gung gezwungen waren, sehr dürftig den arabischen Vulgar-

dialect radebrechen zu lernen, selbst aber

vier

von einander

ganz verschiedene, weder unter sich nochmit den bekannten

afrikanischen, namentlich mit dem semitischen, verwandte

Sprachen als Muttersprachen reden – ferner daß 3 von ihnen

bey der Acquisition durch den Herrn Herzog, nicht länger