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aviso 1 | 2017

NISCHEN IM FOKUS:

COLLOQUIUM

Dr. Alfred Grimm

war von 1990 bis 2014 Hauptkonservator und

stellvertretender Direktor des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst

in München. Seit Mai 2014 leitet er als Beauftragter für Provenienz-

forschung das gleichnamige Referat am Bayerischen Nationalmuseum.

Seit 2015 ist er Vorsitzender des Forschungsverbundes Provenienz-

forschung Bayern.

EIN SOUVENIR AUS HITLERS ›EAGLE’S NEST‹

RESTITUTION EINER FLÄMISCHEN TAPISSERIE AN DEN FREISTAAT BAYERN

Text:

Alfred Grimm

»ES WAR FÜR

viele Soldaten kein ungewöhnli-

cher Gedanke, ein Souvenir mitzunehmen, um

sich daran zu erinnern, dass sie überlebt hatten

und viele ihrer Freunde nicht«, so Robert M. Edsel,

Gründer und Vorsitzender der Monuments Men

Foundation for the Preservation of Art, dessen Best-

seller »The Monuments Men« im Jahr 2014 von

George Clooney verfilmt wurde. DemEngagement

von Robert M. Edsel wird nun die Rückgabe einer

flämischen Tapisserie verdankt, die 1945 von Paul

Danahy (1915-1986), Oberstleutnant der US-ame-

rikanischen 101. Airborne Divison, aus dem Kehl-

steinhaus als ›private Mitnahme‹ – so die offizielle

Sprachregelung – in die USA gebracht worden war.

Dessen inMinneapolis/Minnesota lebende Tochter

Cathy Hinz, für die der Wandteppich »Teil meines

Lebens« war, hatte ihn demNational WorldWar II

Museum übergeben, das ihn jetzt in Kooperation

mit der Monuments Men Foundation an den Frei-

staat Bayern als Rechtsnachfolger der NSDAP re-

links oben

Flämische Tapisserie.

daneben

Übergabe der Tapisserie durch Cathy Hinz und Robert M. Edsel.

links

Scharitzkehlzimmer mit der Tapisserie vor 1945.

stituierte. Die Übergabe durch Cathy Hinz und Robert M. Edsel hat am

16. Dezember 2016 imBayerischen Nationalmuseum stattgefunden, dem

die Tapisserie vom Bayerischen Finanzministerium überwiesen wurde.

Die kurz nach 1500 entstandene Tapisserie, die eine höfische Gesell-

schaft im Freien zeigt, hatte um 1900 der Münchner Malerfürst Franz

von Lenbach beim Münchner Kunst- und Auktionshaus Bernheimer

für das am 29. März 1900 von Prinzregent Luitpold eröffnete Münch-

ner Künstlerhaus am Lenbachplatz erworben, das sie am 28. Novem-

ber 1931 an die L. Bernheimer KG zurückverkaufte. Am 21. Septem-

ber 1938 veräußerte sie die L. Bernheimer KG für 24000 RM an den

für die Innenausstattung des Kehlsteinhauses verantwortlichen Archi-

tekten Heinrich Michaelis. In dem zwischen 1937 und 1938 von der

NSDAP als Repräsentationsgebäude erbauten, Adolf Hitler zu des-

sen 50. Geburtstag am 20. April 1939 geschenkten Kehlsteinhaus –

Hitlers ›Adlerhorst‹ – diente sie bis 1945 als Wanddekoration des sog.

Scharitzkehlzimmers. Vor dem Verkauf gehörte die Tapisserie zu den

Kunstwerken der Reichsliste von 1938, dem damaligen Verzeichnis

national wertvollen Kulturguts.

71 JAHRE NACH

Kriegsende kehrt mit dieser Tapisserie ein für Bayern

wertvolles kunst- und kulturgeschichtliches Objekt nach München

zurück – als eine weitere großzügige Geste der Monuments Men Foun-

dation in ihren beständigen Bemühungen, Kunstwerke vor drohender

Zerstörung zu bewahren und durch die Rückgabe kriegsbedingt verlo-

rener Kulturgüter an die rechtmäßigen Eigentümer einen Beitrag zur

internationalen Völkerverständigung zu leisten.

© Copyright: Ernst Baumann | Bayerisches Nationalmuseum, Bastian Krack | National World War II Museum