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aviso 3 | 2016

ANTHROPOZÄN - DAS ZEITALTER DER MENSCHEN

RESULTATE

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Text:

Hansgeorg Bankel

Jeder einigermaßen mit Griechenland vertraute Kenner des

Landes wird sich beim Blick auf Carl Rottmanns Wandge­

mälde »Aigina« in der Neuen Pinakothek (Abb. 1) – eine klei­

nere Version in Öl hängt in der Glyptothek – gewundert haben

über die Hirschkuh im Vordergrund, zu erkennen am kräfti­

gen Körperbau. Hirsche waren nämlich in den 1830er Jah­

ren »nur im höchsten Gebirge« nachgewiesen, äußerst selten

in der Ebene, schon gar nicht auf den Inseln. Dies vermerkt

Friedrich von Zentner in seinem Werk »Gesammelte Noti­

zen über die Industrie und Landwirthschaft im Königreich

Griechenland« von 1860. Wir dürfen annehmen, dass Carl

Rottmann bei seiner Griechenlandreise 1834/35 im Auftrag

des bayerischen Königs Ludwig I. keinem Hirsch begegnet

ist. Vermutlich hat der Maler den Aphaiatempel auf seiner

Reise gar nicht aufgesucht. Jedenfalls gibt es keine Reise­

skizzen des Tempels.

WENN MAN DANN

auch noch berücksichtigt, dass auf der

Vorlage zu diesem Bild – eine Lithographie von Otto Mag­

nus von Stackelberg – Ziegen weiden (Abb. 2), ist man völlig

ratlos. Warum hat Rottmann die zu idyllischen Landschaf­

ten gehörigen Ziegen mit ihren Hirten durch eine Hirschkuh

ersetzt?

ZUR LÖSUNG DIESES

Rätsels müssen wir uns mit Rott­

manns »Olympia« befassen. Das Wandgemälde in der Neuen

Pinakothek (Abb. 3) ist schon von einem Zeitgenossen

gerühmt worden wegen der »friedlichen, in sich abgeschlos­

senen Heiterkeit der Physiognomie, wie sie jenen das Grie­

chenvolk charakterisirenden und seinem inneren Frieden

entblühenden Spielen entspricht«, so Ludwig Lange 1854.

Es gilt als das »Symbol für Eintracht und Frieden, an denen

die zerstörerischen Kräfte der Zeit, die der Gegenwartswelt

des Betrachters nahe sind, keinen Anteil haben« (Bierhaus-

Rödiger); auch Goethes Aufsatz »Über den Granit« wurde

als mögliche Inspirationsquelle für Rottmann bemüht: »Hier

ist nichts in der ersten alten Lage, hier ist alles Trümmer,

Unordnung und Zerstörung« (ebd.) Weniger dramatisch

beschrieb das Bild der Rottmannkenner Herbert W. Rott im

Katalog von 1999: »Ein Bild von Olympia mit eher allgemein

arkadischemCharakter, in dem die Züge der Landschaft mit

versatzstückhaft eingesetzten Elementen wie Baumgruppen,

Bachlauf und Tieren an der Tränke kombiniert sind«.

In den Kommentaren der Rottmannforschung zu »Olym­

pia« findet man erstaunlicherweise kein Wort darüber, was

in der griechischen Göttermythologie an diesemOrt geschah.

oben

Otto Magnus von Stackelberg, »Temple de Minerve à Egine et côtes de l’Attique«, 1834, Lithographie (Ausschnitt), (Abb. 2).

© Neue Pinakothek München | Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers