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aviso 1 | 2015

DIGITALE WELTEN

WERKSTATT

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Dr. Alfred Grimm

ist Ägyptologe, Kunsthistoriker, Assyriologe und

Philologe des christlichen Orients. Er war von 1990 bis 2014 Hauptkon-

servator und stellvertretender Direktor des Staatlichen Museums

Ägyptischer Kunst in München. Seit 1. Mai 2014 leitet er als Beauftragter

für Provenienzforschung das gleichnamige Referat am Bayerischen

Nationalmuseum.

RESTITUTION UND »ÜBERWEISUNGEN AUS STAATSBESITZ«,

1945-1994:

Von 1945 bis 1949 erfolgte die sukzessive Rückgabe der als

Raubkunst identifiziertenWerke an die jeweiligen Staaten, die dann für

die Weitergabe an die rechtmäßigen Eigentümer verantwortlich waren.

Im Jahr 1949 wurde die Verwaltung über den bis zu diesem Zeitpunkt

nicht restituierten Bestand an den BayerischenMinisterpräsidenten als

Treuhänder übertragen. ImMärz 1952 übernahm die Treuhandverwal-

tung von Kulturgut, eine nachgeordnete Stelle des Auswärtigen Amtes,

die Zuständigkeit für alle noch verbliebenen Objekte. Da der Freistaat

Bayern ebenfalls Ansprüche geltend machte, kam es zu langwierigen

Verhandlungen zwischen Bayern und dem Bund, die erst 1960 mit der

hälftigen Aufteilung zum Abschluss kamen. Die ab 1961 vom Freistaat

Bayern übernommenen Objekte sind dann bis in die 90er-Jahre an die

darauf spezialisiertenMuseen überwiesen worden, so auch an das Baye-

rische Nationalmuseum.

PROVENIENZFORSCHUNG AM BAYERISCHEN NATIONALMUSEUM,

2012-2014:

Unter den als »Überweisungen aus Staatsbesitz« an das

Bayerische Nationalmuseum gelangten Objekten aus ehemaligem NS-

und NSDAP-Besitz stellen die Werke aus der »Sammlung Göring« mit

über 400 Inventarnummern den zahlenmäßig größten Teil dar. In den

vergangenen zwei Jahren sind im Rahmen eines von der Arbeitsstelle

für Provenienzforschung in Magdeburg und der Eleonora-Schamber-

ger-Stiftung inMünchen geförderten Forschungsprojektes von Ilse von

zur Mühlen sämtliche im Bayerischen Nationalmuseum verwahrten

Skulpturen aus dem ehemaligen Besitz von Hermann Göring auf NS-

verfolgungsbedingten Entzug geprüft worden. Bedingt durch Lücken in

der Überlieferung konnte trotz intensiver Recherchen nur bei einigen

der insgesamt 72 Bildwerke eine lückenlose Provenienzkette rekonstru-

iert werden, und nur bei einer geringen Anzahl ergaben sich mehr oder

weniger starke Verdachtsmomente, die auf NS-Raubkunst hinweisen.

Im Jahr 2013 hat das Bayerische Nationalmuseum eine Tapisserie aus

»Göring«-Besitz an die Eigentümer restituiert – und es könnte nun auch

die Rückgabe weiterer »Göring«-Objekte erfolgen, sofern sich denn

Anspruchsberechtigte ermitteln ließen bzw. sich diese melden würden.

Deshalb sind die Ergebnisse der bisherigen Provenienzrecherche zu den

Bildwerken aus der »Sammlung Göring« jetzt nicht nur in die Lost Art-

Datenbank

(www.lostart.de

) eingestellt worden, sondern ebenso auf der

entsprechenden Internetseite des Bayerischen Nationalmuseums (www.

bayerisches-nationalmuseum.de/index.php?id=769

) öffentlich einseh-

und nachprüfbar. Damit kommt das Bayerische Nationalmuseum der

aus der Washingtoner Konferenz (1998) resultierenden Verpflichtung

zur Identifizierung und Rückgabe von NS-Raubkunst sowie zur Her-

beiführung »fairer und gerechter« Lösungen in vollem Umfang nach.

Noch bis Ende Februar 2015 ist im Bayerischen Nationalmuseum an-

hand ausgewählter Statuen aus der »Sammlung Göring« sowie einem

in Unterstein aufgenommenen »Wochenschau«-Film eine Dokumen-

tation dieses Provenienzforschungsprojektes zu sehen. Gleichzeitig sind

die in der Dauerausstellung gezeigtenWerke aus ehemaligem »Göring«-

Besitz speziell gekennzeichnet.

oben links

Tapisserie aus dem Besitz von Hermann

Göring, die 2013 vom Bayerischen Nationalmuseum

an die Eigentümer zurückgegeben wurde.

daneben

Bayerisches Nationalmuseum, Statue der

Hl. Elisabeth (BNM Inv.-Nr. 65/159).

unten links

Bayerisches Nationalmuseum, Statue der

Hl. Anna Selbdritt (BNM Inv.-Nr. 94/13).

daneben

Bayerisches Nationalmuseum, Statue des

Hl. Georg (BNM Inv.-Nr. 65/158).

rechts

Bayerisches Nationalmuseum, Statue der

Hl. Maria mit Kind (BNM Inv.-Nr. 61/50).