Fotos: Gymnasium Olching | Privat | StMBW
Bei einer negativen Emotion sieht der Verarbei-
tungsweg anders aus: Hier wird der Mandelkern
(Amygdala) aktiviert. Dieses Hirnareal verarbeitet
Informationen unter anderem dann, wenn Gefahr
droht. Automatisch werden nun Blutdruck und Puls
erhöht. Evolutionsbiologisch ist das sinnvoll. Denn
in einer bedrohlichen Situation, zum Beispiel ange-
sichts eines wilden Tieres oder eines schnell heran-
rauschenden Lastwagens, geht es für den Menschen
mitunter ums Überleben. Jetzt müssen schnelle
Entscheidungen gefällt werden – etwa kämpfen
oder iehen. Die Verarbeitungstiefe
einer eintre enden Information ist
dementsprechend niedrig. Es geht
ausschließlich darum, schnell eine
überlebensnotwendige Entschei-
dung zu tre en. Fest verankert
wird die Information kaum.
Positive Lernatmosphäre wichtig
Auf die Schule übertragen bedeutet das: Lernen
ist von Stimmungen abhängig. „Will ich erfolgreich
lernen, muss ich dafür sorgen, dass das Gelernte
nicht imMandelkern landet. Deshalb ist es so wich-
tig, dass es in einer Schule freundlich zugeht“, sagt
Manfred Spitzer. Eine positive Atmosphäre ist für
Lernerfolg und Wohlbe nden eines Schülers von
großer Bedeutung. Denn Gelerntes bleibt dauerhaft
mit der jeweiligen Lernatmosphäre verbunden.
Emotionen beeinflussen Lernergebnis
Um dem Zusammenhang zwischen Emotionen
und Lernerfolg auf die Spur zu kommen, hat Prof.
Dr. Dr. Manfred Spitzer, Leiter der psychiatrischen
Universitätsklinik Ulm und einer der bekanntesten
Gehirnforscher und Lernexperten, einen einfachen
Versuchsaufbau entwickelt: Testpersonen liegen in
einem Kernspintomographen, der Gehirnaktivität
bildlich darstellt. Über eine Videobrille werden den
Teilnehmern Bilder, die verschiedene Emotionen
auslösen, großformatig vor Augen gehalten: furcht-
ein ößende Haie, lachende Babys, angsterfüllte Ge-
sichter, leckere Schokolade. Nach jedem Bild wird
ein einfacher Begri wie „Holz“ oder „Tisch“
eingeblendet. Um sich zu konzent-
rieren, haben die Testpersonen die
Aufgabe, unterschiedliche Knöpfe
für konkrete bzw. abstrakte Begri e zu drücken.
Nach einer Stunde notieren sie alle Begri e, an
die sie sich noch erinnern können. Ergebnis: Die
Studienteilnehmer können sich diejenigen Begri e
wesentlich besser merken, die auf positiv besetzte
Bilder folgen. Das heißt, Emotionen, die eine Lern-
situation prägen, wirken sich unmittelbar auf das
Lernergebnis aus – für Schule und Unterricht ein
wesentlicher Zusammenhang.
Komplexes Zusammenspiel im Gehirn
Ein Blick in das Gehirn erklärt das Phänomen:
Pro Sekunde prasseln unzählige Eindrücke auf
uns ein. An einer belebten Straßenkreuzung etwa
tre en eine Vielzahl von Fahrzeuggeräuschen und
-bewegungen, Ampellichtern und Menschen aufei-
nander. Um sich in einer solchen Situation zurecht-
zu nden, muss das Gehirn wichtige von unwich-
tigen Eindrücken unterscheiden, etwa bedeutsame
Ampelzeichen von unbedeutenden Lichtquellen.
Das ist gar nicht so einfach. Für Babys und Klein-
kinder ist es ein wichtiger Entwicklungsschritt, zu
lernen, die zahllosen Informationen aus unserer
Umwelt richtig ltern zu können. Eintre ende
Eindrücke lösen in aller Regel sofort verschiedene
Emotionen aus: von positiv über neutral bis hin zu
negativ. Abhängig davon werden die Eindrücke an
unterschiedliche Hirnareale zur weiteren Verarbei-
tung übermittelt. Bei einer positiven Emotion wird
über Umwege der Hippocampus aktiviert. Dieses
Hirnareal ist unter anderem darauf spezialisiert,
Einzelheiten zu verarbeiten und dafür zu sorgen,
dass wir nachts das Gelernte des Tages wiederho-
len. Informationen, die durch den Hippocampus lau-
fen, werden meist tief verarbeitet und fest verankert.
Manfred
Spitzer
Freude am Experimentieren:
Zwei Schülerinnen arbeiten im „Science Lab“
des Gymnasiums Olching an Kristallen
7
1 | 2016
Schule & wir
TITEL