Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 41

Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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51 Vgl. hierzu auch Ritschl (wie Anm. 12), S. 30.
52 Pressler (wie Anm. 6), S. 67.
53 Eine neuere, englischsprachige Erscheinung zum New Deal liegt vor mit Ronald Edsforth: The New Deal. America’s Response to the Great
Depression, Malden 2000; daneben ist auch immer noch zu empfehlen William E. Leuchtenberger: Franklin D. Roosevelt and the New
Deal 1932–1940, New York 1963. An deutschsprachiger Literatur kann angeführt werden Pressler (wie Anm. 6); daneben nimmt das Thema
breiteren Raum ein bei Erich Angermann: Die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1917,
9
München 1995, S. 123–194 (= dtv-Weltgeschich-
te des 20. Jahrhunderts, 7). Einen kurzen Überblick bietet dagegen: Detlef Junker: Weltwirtschaftskrise, New Deal, Zweiter Weltkrieg,
1929–1945, in: Peter Lösche (Hg.): Länderbericht USA,
4
Bonn 2004, S. 129–138.
Da die Wirtschaftswissenschaft in den 1920er-Jahren noch
keine wirtschaftspolitisch verwertbaren Krisenstrategien
anzubieten hatte, durfte es nicht verwundern, dass auch US-
Präsident Herbert Hoover das Haushaltsdefizit durch Steu-
ererhöhung und Ausgabenkürzungen möglichst gering zu
halten versuchte. Ganz allgemein waren Geld- und Fiskal-
politik weltweit wenig expansiv,
51
verschärften die deflatio-
näre Krise also noch. Während Hoover der schnell zuneh-
menden Zahl der Arbeitslosen die Hilfe der amerikanischen
Bundesregierung aus prinzipiellen, in der US-amerikani-
schen Tradition liegenden Gründen verweigerte, zeigten
sich die Bundesstaaten und Städte mit deren Versorgung fi-
nanziell überfordert, zumal die Gesetzeslage sie zu einem
ausgeglichenen Haushalt verpflichtete. In vielen Teilen des
Landes, das sich bis zuletzt als jenes mit dem weltweit
höchsten Lebensstandard selbst gefeiert hatte, zu dessen
American Way of Life
mit höchster Güterversorgung es
scheinbar keine Alternative gab, herrschte nun – trotz land-
wirtschaftlicher Überproduktion – Hungersnot. „Überall
in Amerika schossen Elendssiedlungen aus Holzabfällen,
Pappe und Wellblech aus dem Boden, die man als
Hoover-
villes
bezeichnete. Die Zeitungen, in denen sich die Ob-
dachlosen einrollten, wenn sie sich am Straßenrand zum
Schlafen legten, nannte man im Volksmund ‚Hoover-Bett-
decken‘. […] Liegengebliebene Autos, vor die man Pferde
gespannt hatte, nannte man ‚Hoover-Wagen‘ und die mage-
ren Wildhasen, die sich die Obdachlosen fingen, wurden als
‚Hoover-Schweine‘ bezeichnet. Hoover stand nun für
Elend, Armut und Verzweiflung.“
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Konjunkturprogramme und Finanzmarkt-
stabilisierung
Selbst Hoovers Nachfolger, der auf dem Höhepunkt der
Krise in das Präsidentenamt gelangte FranklinD. Roosevelt,
blieb der zeitgenössischen Vorstellung von der Notwendig-
keit eines ausgeglichenen Staatshaushalts verhaftet. Den-
noch startete Roosevelt mit seinem
New Deal
(deutsch
etwa „Neuverteilung der Karten“) umgehend mit einer ra-
dikalen Politik tiefgreifender Wirtschafts- und Sozialrefor-
men.
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Im Folgenden soll aber weniger auf solche länger-
fristigen Reformen oder jene Maßnahmen des
New Deal
eingegangen werden, die die soziale Notlage der Menschen
Nach der Wahl gratuliert der
scheidende US-Präsident Her-
bert Hoover (l.) seinem desi-
gnierten Nachfolger Franklin
D. Roosevelt.
Foto: picture alliance/dpa/ap
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