Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt schützen
Die Begriffe „sexueller Missbrauch“, „sexuelle Gewalt“ und „sexueller Übergriff“ werden häufig synonym verwendet. Zentrale Merkmale dieser drei Begriffe sind Unfreiwilligkeit und Machtausübung.
Kinder und Jugendliche können sich nicht alleine schützen. Sie brauchen erwachsene Ansprechpersonen, die wissen, wie Täter und Täterinnen agieren, welche Signale Kinder und Jugendliche aussenden und welche Wege der Hilfe es gibt. Auch wenn Unterstützung durch gleichaltrige Freunde und Freundinnen mit zunehmendem Alter an Bedeutung gewinnt, sind Kinder und Jugendliche beim Schutz vor Missbrauch auf Erwachsene angewiesen.
Die Schulen verstehen sich als Schutzraum vor sexualisierter Gewalt. Sie sollen dabei selbstständig entscheiden können, welche Maßnahmen für das jeweilige Schulprofil geeignet sind, um sexuellen Missbrauch zu verhindern und Opfern von sexuellem Missbrauch Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können.
Prävention durch Schutzkonzepte
Schutzkonzepte vermindern das Risiko, dass sexuelle Gewalt in einer Einrichtung oder Organisation verübt wird und tragen dazu bei, dass betroffene Kinder und Jugendliche von Fachkräften erkannt werden und Zugang zu Hilfe erhalten.
Zur Begünstigung von qualifizierten Schutzkonzepten an den bayerischen Schulen beteiligt sich Bayern bereits seit 2017 an der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Diese Initiative möchte vor allem die Schulen anregen, im Rahmen der Schulentwicklung Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt einzuführen bzw. weiterzuentwickeln, und gibt Antworten auf Fragen wie: Was sollten Lehrkräfte über sexuellen Missbrauch wissen? Welche Situationen können Täter ausnutzen? An wen wende ich mich im Falle eines Verdachts?
Als Angebot an die Schulen zur Entwicklung schulischer Schutzkonzepte wurden unterstützende Materialien der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) an 5000 allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen in Bayern ausgeliefert. Diese Materialien finden Sie auch hier zum kostenlosen Download oder zum Bestellen.
Die Kultusministerkonferenz hat zudem im März 2023 den Leitfaden für „Kinderschutz in der Schule - Leitfaden zur Entwicklung und praktischen Umsetzung von Schutzkonzepten und Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt an Schulen“ (Link: Broschuere_Leitfaden_KMK-16-03-2023.pdf) beschlossen. Mit dem vorliegenden Leitfaden sollen Wege aufgezeigt werden, wie der Prozess zu einem wirksamen Schutzkonzept an Schulen gelingen und mehr Handlungssicherheit entstehen kann.
Der Leitfaden zeigt aus der schulischen Praxis heraus auf, wie Schulen einzelne Prozessschritte in Angriff nehmen können, Abläufe zu strukturieren sind und gibt Hilfestellungen, um die Komplexität des Prozesses zu reduzieren. Durch Unterlegung praxisnaher und handlungsorientierter Materialien wird Schulen damit ein niederschwelliger Zugang ermöglicht, um leichter ein eigenes Schutzkonzept entwickeln zu können.
Um Schulen möglichst praxisnah Unterstützungsleistungen zu bieten, sind viele der Materialien individuell an die einzelne Schule anpassbar und entsprechend auszudrucken.
An jeder bayerischen Schule existiert zudem eine Beauftragte bzw. ein Beauftragter für die Familien- und Sexualerziehung. In den zugehörigen Richtlinien ist das Thema der Prävention von und Intervention bei sexueller Gewalt explizit verankert. Auch durch die speziell fortgebildeten Beauftragten kann wesentliche Unterstützung bei der Entwicklung möglicher Schutzkonzepte geleistet werden.
Prävention durch Aufklärung und Sensibilisierung
Theaterstück „Trau dich!“ (mit dem StMAS):
Um zu diesem wichtigen Thema weitere Impulse zu geben, erfolgte 2019 von StMAS und StMUK außerdem der gemeinsame Startschuss zur Modellphase zur flächendeckenden bayernspezifischen Etablierung der Initiative „Trau dich!“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs zum Schuljahr 2019/2020. Ziel ist es, Schulkinder altersgerecht über ihre Rechte aufzuklären, ihre Persönlichkeitsrechte zu stärken, sie zu sensibilisieren und zu informieren, wo sie im Bedarfsfall Hilfe finden. Um landesweit eine qualifizierte Durchführung sicherzustellen, erfolgen durch AMYNA e. V. (landes- und bundesweit anerkannte Expertise im Bereich Fortbildung zur Prävention sexualisierter Gewalt) im Vorfeld Schulungen für Jugendamt, Schule sowie spezialisierte Fachberatungsstellen.
Broschüre „Die Grenzen der Kinder und Jugendlichen im Ganztag achten“
Darüber hinaus hat das StMUK 2022 zusammen mit dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) u.a. für das pädagogische Personal im Bereich Ganztag die Broschüre „Die Grenzen der Kinder und Jugendlichen im Ganztag achten“ erarbeitet. Diese Broschüre soll pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ganztagsschule dafür sensibilisieren, unbeabsichtigte Grenzüberschreitungen beim Umgang mit Schülerinnen und Schülern, bei sich selbst und anderen zu erkennen und zu vermeiden, wenn dieses Wissen nicht wie bei Lehrkräften im Zuge der Lehrerausbildung erworben worden ist. Sie soll zudem verdeutlichen, in welchen Fällen Grenzen überschritten werden und damit widerrechtlich gehandelt wird.
Fortbildungsangebote zum Bereich sexuelle Gewalt und Missbrauch
Online-Portal „Sexuelle Gewalt. Prävention und Intervention in der Schule“
Um die Lehrkräfte für die Thematik des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu sensibilisieren und darin zu schulen, kompetent und behutsam damit umzugehen, Signale der Mädchen und Jungen wahrzunehmen und zu wissen, wie sie im konkreten Verdachtsfall vorgehen müssen, hat das Thema auch in der Lehrerfortbildung auf allen Ebenen (zentral an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) Dillingen, regional im Bereich der Ministerialbeauftragten bzw. Bezirksregierungen und den Staatlichen Schulberatungsstellen, lokal an den Staatlichen Schulämtern und schulintern (SCHILF) an der Einzelschule) einen hohen Stellenwert. Zentral ist hierfür das von der ALP Dillingen für alle Lehrkräfte bereitgestellte Onlineportal „Sexuelle Gewalt. Prävention und Intervention in der Schule“. Jederzeit für alle Lehrkräfte abrufbar sind zudem drei aufeinander aufbauende Selbstlernkurse zur Prävention und Intervention von sexueller Gewalt. Dieses Angebot wird stetig weiterentwickelt und mit weiterführenden Präsenzlehrgängen vertieft. Weitere Veranstaltungen der ALP Dillingen, regionale und lokale Fortbildungsangebote sowie Maßnahmen externer Anbieter sind in der Fortbildungsdatenbank FIBS zu finden
Bundesweites Fortbildungsangebot „Was ist los mit Jaron?“
Das Serious Game „Was ist los mit Jaron?“ wurde vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs gemeinsam mit den Kultusbehörden der Länder entwickelt und vermittelt Beschäftigten an Grundschulen und weiterführenden Schulen Basiswissen zum Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexuellem Missbrauch.
Der digitale Grundkurs beleuchtet die verschiedenen Formen und das Ausmaß sexueller Gewalt von Erwachsenen an Kindern und Jugendlichen. Dabei nimmt er Täterstrategien in den Blick und klärt weit verbreitete Mythen auf. Anhand konkreter Situationen aus dem Schulalltag bringt der Grundkurs zudem den Teilnehmenden die Perspektive belasteter Kinder und Jugendlichen näher und zeigt Wege zur Hilfe auf. Das Ziel des jeweils ca. vierstündigen Selbstlernkurses ist es, Teilnehmerinnen und Teilnehmern Sicherheit zu geben, damit sie Betroffenen gute Gesprächsangebote machen und bei der Suche nach Hilfe unterstützen können. Den digitalen Grundkurs gibt es für Grundschulen und weiterführende Schulen, denn auch Jugendliche sind von Missbrauch durch Erwachsene betroffen und auf Hilfe angewiesen. Beide Kursmodule ähneln sich, berücksichtigen aber die unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Kindern und Jugendlichen.
Ansprechpersonen der Staatlichen Schulberatung
Für jede staatliche Schule sind im Rahmen der Staatlichen Schulberatung eine Schulpsychologin bzw. ein Schulpsychologe sowie eine Beratungslehrkraft zuständig. Sie sind neben den in der Klasse unterrichtenden Lehrkräften, Verbindungslehrkräften oder Mitgliedern der Schulleitung die Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler sowie für deren Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte und unterliegen einer Schweigepflicht bzw. besonderen Verschwiegenheit. Insbesondere die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen helfen durch geeignete psychologische Interventionen bei der Bewältigung von persönlichen Krisen und vermitteln gegebenenfalls weitergehende und spezifische Beratungsmöglichkeiten, so auch in Fällen von sexueller Gewalt.
Für Fragestellungen, die über die Einzelschule hinausgehen oder für die aufgrund der Sensibilität des Themas sexueller Gewalt an der eigenen Schule keine Beratung in Anspruch genommen werden soll, können sich Ratsuchende an die besonders erfahrenen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Beratungslehrkräfte an den neun Staatlichen Schulberatungsstellen in Bayern wenden.
Zur für Sie zuständigen Schulberatungsstelle gelangen Sie, indem Sie einfach auf die Karte klicken:

Beratungseinrichtungen bei Vorfällen von sexueller Gewalt und Missbrauch
Auch die folgenden Beratungsstellen können weitere Hilfestellungen geben oder Ansprechpersonen vermitteln:
- Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt
Das kostenfreie und anonyme Angebot ist eine Adresse für alle Menschen in Bayern, die Missbrauch oder sexualisierte Gewalt erlebt haben, unabhängig davon, wann, wo und durch wen der Missbrauch stattfindet oder stattgefunden hat. Die Anlaufstelle gibt eine erste Orientierung und vermittelt betroffene Menschen an die passende Anlaufstelle in Bayern weiter. Auch Menschen, die Rat und Hilfe für andere suchen, werden hier unterstützt. - Hilfeportal Sexueller Missbrauch
„Hilfeportal Sexueller Missbrauch“ ist ein Angebot des Unabhängigen Beauftragen der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Es informiert Betroffene, ihre Angehörigen und andere Menschen, die sie unterstützen wollen. Eine bundesweite Datenbank zeigt, wo es in der eigenen Region Hilfsangebote gibt. - Amyna e. V.
AMYNA e. V. setzt sich in allen Arbeitsbereichen für den Schutz von Mädchen* und Jungen* vor sexueller Gewalt ein. - Kibs
Die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für männliche Opfer sexueller Gewalt (kibs) bietet Information, Beratung und Betreuung von Jungen und jungen Männern, die von sexueller Gewalt betroffen sind oder waren. - Wildwasser e. V.
Beratungsstelle, die Frauen, die sexualisierte Gewalt in der Kindheit oder Jugend erlebt haben, berät, begleitet und unterstützt. – unabhängig von deren sexueller Orientierung, Nationalität, Hautfarbe, so genannter ‚Behinderung‘, gesellschaftlichem Status, Religionszugehörigkeit und kulturellem Hintergrund. - Bayerischer Jugendring
Die Fachberatung Prätect unterstützt Organisationen der Jugendarbeit bei der Erarbeitung und Implementierung von Gesamtstrategien zur Prävention sowie von Schutzkonzepten. - Polizei
Die nächstgelegene polizeiliche Beratungsstelle kann auf jeder Polizeidienststelle oder beim Bayerischen Landeskriminalamt erfragt werden (Informationen auch auf dem Portal Polizei für dich. - Bündnis für Kinder
Die Stiftung vernetzt helfende Institutionen. Dort findest du auch ein ausführliches Verzeichnis behördlicher Hilfeeinrichtungen in Bayern. - Jungenbüro Nürnberg
ist eine Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für männliche Opfer sexueller Gewalt. Sie bietet Information, Beratung und Betreuung von Jungen und jungen Männern sowie deren Vertrauenspersonen, Eltern und Angehörigen, die von sexueller Gewalt betroffen sind oder waren. - Sounds Wrong
Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK); Informationen zur bundesweiten Präventionskampagne gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen / Kinderpornografie „SOUNDS WRONG“ - Jugendberatung des Schlupfwinkel e. V.
Der Verein bietet unter dem Dach des Paritätischen seit 1986 ein breites Spektrum an Beratungsangeboten, flexiblen ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen in Nürnberg und Umgebung an. Darüber hinaus werden verschiedene Projekte und Einrichtungen in Kooperation mit dem Stadtjugendamt Nürnberg betrieben. - Strong!
Strong! ist Anlaufstelle bei Beleidigungen, Online-Hatespeech, Mobbing, Lächerlichmachen, Angriffen, sexualisierter Gewalt und allen anderen Arten von körperlichen oder psychischen Übergriffen, die LGBTIQ* erfahren. Die (anonyme) Anlaufstelle ist per Telefon, Chat, E-Mail oder vor Ort zu erreichen. Strong! ist auch eine Anlaufstelle für Fachkräfte und Interessierte. Die Fachstelle bietet bei Bedarf auch Unterstützung bei der Anzeigeerstattung.