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Bestimmen Frust und Lernunlust die Schulwirklichkeit unserer Zeit?

HEUTE

Diese fröhliche

Freundesschar

weiß nichts von den

Zeiten der Not, die

ihre Schule schon

gesehen hat. Hun–

ger kennen unsere

Kinder nicht, Klei-

dersorgen sind

ihnen fremd.

Im

Winter schulfrei,

weil Schuhe und

Mäntel fehlen, das

ist unvorstellbar für

sie. Gott sei Dank.

zur Zentralheizung. Während das al–

te Europa in Trümmer fiel , hatte man

hier an nichts gespart.

Das Kind und seine bestmögl iche

Förderung standen auch für uns

schon im Mittelpunkt. Wir hatten an

der Führichschule zum Beispiel ein

Aquariumszimmer für den natur–

kundlichen Unterricht und auch

einen eigenen Schulgarten . Nicht je–

der moderne Schulneubau kann

heute sowas vorweisen."

Mit 445 Kindern begann im

Herbst 1918 das erste Unterrichts–

jahr an der Führichstraße - gerade

rechtzeitig, um für die letzte Kriegs–

anleihe bei den Schülern die Werbe–

trommel zu rühren. "Es werden Be–

träge ab zwei Reichsmark angenom–

men", heißt es im Protokoll der

ersten Lehrerratssitzurig.

Bald darauf brach das Elend der

Nachkriegsjahre herein . Hunger und

Unterernährung der Kinder weckten

das Mitleid der Sieger jenseits

des Atlantik. Die "Quäkerspeisung"

lief in Deutschlands Schulen an.

Der Lehrerrat der Volksschule an

der Führichstraße lehnte sie aller–

dings erst einmal ab. Begründung:

"Gewaltige Mehrarbeit und das rigo–

rose Verhalten der Elternschaft".

Was immer damit gemeint sein

mochte - die amerikanische Schul–

speisung war nicht aufzuhalten.

Auch nicht für die Kinder der Füh–

richschule .

Selbstverständlich gab es damals

keinen Schulbus. Die Kinder liefen

auf Schusters Rappen kilometerweit

zur Schule. Im Sommer barfuß.

Nicht selten saßen 50, ja 60 in

einem Raum. Wer glaubt, daß es

deshalb drunter und drüber ging, der

irrt sehr. Mit der Disziplin hatten die

Lehrer damals keine Schwierigkei–

ten, und Schulstrafen waren die gro–

ße Ausnahme. Das heben die Jahres–

berichte immer wieder hervor.

Die Eitern standen voll hinter der

Schule, das Vertrauen zu den Leh–

rern galt uneingeschränkt. Gemein-

sam hatten sie ein Ziel : Die Kinder

sollten soviel w ie möglich lernen .

Darum gingen sie viel zur Schule.

Eine Unterrichtsstunde dauerte 60

Minuten . Sogar nachmittags gab es

vier Mal pro Woche zwei volle.Stun–

den Unterricht. An die Fünf-Tage–

Woche mit dem freien Samstag

dachte niemand.

Ein Laster aber gab es auch damals

schon : Das Schulschwänzen . Sehr

verbreitet dürfte es freilich kaum ge–

wesen sein; denn die Eitern mußten

dafür tief in die Tasche greifen. 1920

kamen sie noch mit 50 Pfennig pro

Tag davon . Dann trieb die Inflation

den Tarif nach oben. Im Februar

1923 zahlte man schon 100 Mark,

ein halbes Jahr später 2 Millionen für

die Feierschicht.

Das gleiche Vergehen, nämlich

unentschuldigtes Fernbleiben vom

Unterricht, leisteten sich am 9. No–

vember 1923 einige Lehrer der Füh–

richschule - allerdings straffrei. Sie

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