J
oel sitzt mit dem Lötkolben über
dem Netzteil, Bert hat den Schalt–
plan vor sich liegen und gibt An–
weisungen - an sich nichts Unge–
wöhnliches in einer Werkstatt für Elek–
trotechnik. Nur merkt man bei ge–
nauerem Hinhören, dass Joel Franzo–
se und Bert Deutscher ist und jeder
von der Sprache des anderen nur ei-
DEUTSCH-FRANZÖSISCHER
SCHÜLERAUSTAUSCH MUSS
NICHT AUF DIE WEITERFÜHREN–
DEN SCHULEN BESCHRÄNKT
BLEIBEN. DAS BERUFSBIL·
elektronischem Dimmer und integrier–
ter Funkuhr hergestellt werden. Extra
für diesen Zweck wurden in Aschau
und an der französischen Partnerschu–
le Einzelbauteile entwickelt, die man
nach dem großen Vorbild des 'Airbus–
Projekts'
in deutsch-französischen
Teams zusammenbaute.
Nun gehören Austauschprojekte seit
ZUSAMMEN
ARBEITEN
DUNGSWERK WALDWINKEL
WAGTE EIN EXPERIMENT
UND LUD 20 FRANZÖSISCHE
JUGENDLICHE NACH
OBERBAYERN EIN.
nige Worte beherrscht. Der Grund für
die ungewöhnliche Zusammenarbeit
ist das deutsch-französische Bildungs–
projekt 'Leben und Arbeiten als Eu–
ropäer', das vom Berufsbildungswerk
Waldwinkel in Aschau am Inn durch–
geführt wird .
Von der bayerischen Schule einge–
laden, hielten sich Joel und 19 weitere
junge Franzosen im vergangenen März
für 14 Tage in Oberbayern auf und ar–
beiteten in den Werkstätten des Berufs–
bildungswerkes mit ihren deutschen
Kollegen zusammen. Während dieser
Projektarbeit, die von der Europäischen
Union und vom Deutsch-Französischen
Jugendwerk finanziell gefördert wird
und jeweils zwei Wochen in Bayern
und Frankreich stattfand, sollten insge–
samt 110 Halogentischlampen mit
8 SCHULE
aktuell
dem Deutsch-Französischen Freund–
schaftsvertrag aus dem Jahre 1963
längst zum Alltag der Zusammenar–
beit zwischen den beiden Ländern.
Doch dass sich ein Berufsbildungs–
werk, das jungen Leuten mit körperli–
chen Behinderungen oder seelisch be–
dingten Leistungsstörungen eine beruf–
liche Erstausbildung bietet, an ein sol–
ches Projekt wagt, ist schon etwas
Außergewöhnliches; spielen sich doch
sonst Austauschprogramme auf schuli–
scher Ebene eher im Bereich der Real–
schulen und Gymnasien ab.
Wie kommt nun das Berufsbildungs–
werk Waldwinkel zu diesen Kontakten
mit Frankreich? Pater Hans Schach,
dem Leiter der bayerischen Einrich–
tung, einem überzeugten Europäer,
schwebte schon seit langem ein derar-
tiges Projekt vor. Da traf es sich gut,
dass eine Diplompsychologin des Hau–
ses, Christine Hamp, gebürtige Fran–
zösin ist, die immer noch enge Bin–
dungen zu ihrer alten Heimat hat. Sie
suchte und fand in der in Frankreich
sehr bekannten Stiftung 'Les Orphelins
Apprentis d'Auteuil' einen geeigneten
Austauschpartner. Diese christlich ge-
prägte Einrichtung unterhält seit 1946
in einem ehemaligen Jagdschloss 30
Kilometer westlich von Chartres die
Niederlassung 'Maison Notre-Dame',
die Jugendlichen aus zerrütteten oder
sozial benachteiligten Familien eine
schulische und zugleich berufliche
Ausbildung vermittelt.
Die christliche Orientierung verbin–
det die beiden Häuser; denn der Trä–
ger des bayerischen Berufsbildungs–
werkes sind die Salesianer Don Bos–
cos. Sie sehen ihre Aufgabe darin,
die ihnen anvertrauten jungen Men–
schen nicht nur beruflich, sondern
ganzheitlich zu fördern . Ziel ist es, sie
zu reifen Persönlichkeiten heranzubil–
den, die nach dem Abschluss in der
Lage sind, sich auf dem Arbeitsmarkt
zu behaupten und in der Gesellschaft