Forum 6: Stärkung der mathema·
tisch·naturwissenschaftlichen Kompe·
tenz
Übereinstimmend stellten die Teil–
nehmer dieses Arbeitskreises fest, dass
man in unserer Gesellschaft ein para–
doxes Phänomen beobachten könne.
Während unser Leben immer mehr
von der Technik beherrscht werde, be–
gegne ein Großteil der Menschen ma–
thematisch-naturwissenschaftlichen Zu–
sammenhängen mit Ignoranz, Unver–
ständnis, ja sogar mit Ablehnung . Es
gehöre, so ein Mathematiklehrer auf
dem Podium, fast schon zum guten Ton,
sich mangelnder Mathematikkenntnis–
se zu rühmen . Dieses Akzeptanzpro–
blem werde nach Ansicht von Profes–
sor Dr. Wolfgang
A.
Herrmann, dem
Präsidenten der Technischen Universi–
tät München, von der geringen Stun–
denausstattung im mathematisch-natur–
wissenschaftlichen Bereich unterstützt.
Für ihn, den Chemiker, sei es nachge–
rade ein Anachronismus, wenn zum
Beispiel am neusprachlichen Gymnasi–
um in den Klassen 5 bis 11 die Natur–
wissenschaften zusammen nur 20 Wo–
chenstunden unterrichtet würden, für
die erste Fremdsprache allein aber 30
Stunden vorgesehen seien . Folglich
müsse über die Neuordnung der Stun–
dentafel ernsthaft nachgedacht werden .
Es reiche aber nicht aus, so der
einhellige Tenor in der Diskussionsrun–
de, einfach mehr Unterrichtszeit in
diesen Fächern zur Verfügung zu stel–
len, es müsse auch eine neue Form
des Unterrichtens gefunden werden .
Wenn sich die Schüler mit Physik, mit
Chemie oder mit Biologie identifizie–
ren sollen, dann sei es unabdingbar,
dass sie in Experimenten möglichst
viel selber ausprobieren dürfen und
ihnen immer auch vor Augen geführt
werde, wo für eine wissenschaftliche
Erkenntnis ein praktisches Anwen–
dungsgebiet in ihrer unmittelbaren
Umgebung existiere. ·
Forum
3:
Hochschulreife
Das Gym–
nasium stand auf dem Bildungskon–
gress wegen der schon im Vorfeld hef–
tig diskutierten Reform der Oberstufe
im Mittelpunkt des Interesses. Die mit
Spannung erwartete Diskussion hat
dann auch für einige Überraschungen
gesorgt. Die Kollegstufe stehe in der
Kritik und müsse deshalb dringend
verbessert werden, darüber konnte
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SCHULE a/ctue//
sehr schnell ein Konsens hergestellt
werden . Die Forderungen von den
verschiedensten Seiten, welche Verän–
derungen vorgenommen werden soll–
ten, gingen dabei in zwei Richtungen.
Zum einen wird dafür plädiert, wieder
einen festen Fächerkanon zu etablie–
ren mit Deutsch, Mathematik und ei–
ner Fremdsprache als Grundvorausset–
zung für ein erfolgreiches Studium.
Darüber ist man sich inzwischen bun–
desweit einig, und auch die Studen–
ten, so hat eine repräsentative Umfrage
in Bayern vor kurzem ergeben, zählen
diese Fächer zum notwendigen Ge–
päck.für ein Hochschulstudium. Darü–
ber hinaus sollten aber auch bestimm–
te Schlüsselkompetenzen mehr als bis–
her in den Mittelpunkt gerückt wer–
den. Genannt wurden hier immer wie–
der Selbständigkeit, Kreativität und
Teamfähigkeit.
In diesem Zusammenhang wurde
der Vorschlag diskutiert, ob man nicht
das Abiturzeugnis um ein Wortgutach–
ten ergänzen müsse, das die Leistun–
gen der Schüler in den genannten Be–
reichen beschreibe. Bei Einstellungs–
gesprächen werde, so Forumsteilneh–
mer Dr. Michael Tacke von der Firma
Siemens, großer Wert auf die Persön–
lichkeit des Schülers gelegt. Eine
schlechte Note, so der Wirtschafts–
mann, könne zum Beispiel durch das
Engagement als Schülersprecher aus–
geglichen werden. Warum also sollte
man diese Zusatzqualifikationen nicht
ins Abiturzeugnis mit aufnehmen?
Wichtigster Diskussionspunkt war
aber ohne Zweifel die mög-
liche Neukonzeption der
ren diese Vorschläge offenbar allzu
rad ikal, denn mit zunehmender Dauer
der Diskussionen wurden immer mehr
Vorteile des alten Kollegstufensystems
aufgezählt, was Ministerialdirigent Dr.
Eduard Pütterich, im Kultusministerium
zuständiger Abteilungsleiter für das
Gymnasium, doch erstaunte. Jahrelang
habe er sich die Klagen über die Defi–
zite der Kollegstufe anhören müssen,
gab er zu Protokoll, und nun würden
eher die Stärken herausgestellt. Des–
halb unterstrich er, dass auch weiterhin
eine begabungsgerechte Schwerpunkt–
setzung ermöglicht und das bayeri–
sche Abitur dennoch nicht schwerer
werde. Bedenken, dass mit der geplan–
ten Reform die Rückkehr des guten
a~
ten Klassenverbandes beschlossen sei,
wies er zurück. Verbindliche Abitur–
fächer führten zwar in Deutsch und
Mathematik dazu, dass feste Gruppen
gebildet würden; in den meisten Fällen
aber kämen sowieso wieder Kurse mit
je nach Fach unterschiedlicher Zusam–
mensetzung zustande.
Nicht nur in diesem, sondern in al–
len anderen Foren, so der Eindruck
vieler Beteiligter, hätte es noch genug
Stoff für weitere Gespräche gegeben.
Dem Kultusministerium dienen die Dis–
kussionsbeiträge jedenfalls als Grund–
lage für einen umfassenden Reformka–
talog, der dann zu gegebener Zeit
den Vertretern der Schülerschaft, der
Eltern und Lehrer vorgelegt wird.
Am Ende konnten die Leiter der Ar–
beitskreise das erschöpfte Publikum
und die Podiumsteilnehmer entlassen.
Oberstufe des Gymnasiums.
Das bayerische Kultusminis-
Kultusminister
terium hatte schon vor dem
Zehetmair
leitete
das
hochkarätig
Kongress ein Modell vorge–
legt, das neben der verbind-
lichen Festschreibung von
besetzte
Schluss·
Deutsch, Mathematik und ei-
ner Fremdsprache als Abi–
turprüfungsfächer eine Ab-
kehr von der bisherigen Differenzie–
rung in Grund- und Leistungskurse vor–
sieht. Um trotzdem Wahlmöglichkeiten
einzuräumen, wurde vorgeschlagen,
dass die Schüler ein viertes und fünf–
tes Abiturfach aus den verschiedenen
Fächergruppen auswählen können.
Für manche Kongressteilnehmer wo-
poclium.
Auf alle Teilnehmer wartete als künst–
lerischer Abschluss des Tages das
Stück von Bertolt Brecht 'Turandot
oder der Kongress der Weißwäscher',
das von den Schülern des Gräfelfin–
ger Kurt-Huber-Gymnasiums unter gro–
ßem Beifall im Cuvilliestheater aufge–
führt wurde.
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