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Im schwäbischen PfaHenhofen

a. d. Zusam lassen Kinder an

Pfingsten einen alten Brauch

wieder aufleben, der auf

die Kelten zurückgeht.

ln Birkenlaub gehüllt zieht,

wie in der Zeichnung links, ein

grüner Geselle durch die

Dörfer. Dann heißt es:

bische Zusamtal. Lehrer

Gerhard Burkard, dem

man die Wiederbelebung

des Wasservogelbrauchs

dort verdankt, meint: "Als

wir den althergebrachten

Brauch vor zehn Jahren

erstmals rund um rfaffen–

hofen wieder einführten,

freuten sich nicht nur unse–

re Schulkinder. Auch die

älteren Leute erinnerten

sich gerne an ihre Jugend–

zeit, in der der Brauch noch

gepflegt wurde. Heute hof–

fen wir, daß das Spiel vom

Der Wasservogel kommt

~:p:~lf~!~~~

Heimatgemeinde wird."

A

lle

Jahre wieder macht

an Pfingsten in man–

chen Orten des Frei–

staates ein wunderliches

Wesen auf sich aufmerk–

sam . Auf dem Kopf trägt es

ein

Bündel goldgelber

Schmalzblumen,

deren

Stengel steil nach oben ra–

gen . Der Körper des selt–

samen Geschöpfes ist in

Birkenlaub eingebunden,

und in der Hand hält der

grüne Geselle ein hölzer–

nes Schwert.

Die Rede ist vom Was–

servogel , einer seltenen,

aber um so interessanteren

Brauchtumsfigur. Wir fin–

den sie zum Beispiel in der

Nähe von Dillingen an der

Donau, genauer gesagt in

Pfaffenhofen, einem klei–

nen Ort im Tal der Zusam .

Dort zieht der Wasservo–

gel, in dessen Kostüm ein

Bub steckt, mit einigen Kin–

dern des Ortes von Haus

zu Haus und bittet um mil–

de Gaben. Dafür hält der

kleine Zug Schmalztopf,

Geldbeutel und Eierkorb

bereit.

Haben die Kinder ihr

Gedicht vor der Haustüre

aufgesagt, springt der

Wasservogel meist schnell

zur Seite; denn häufig

klatscht aus einem Fenster

auf ihn ein Eimer Wasser

herab . Nicht selten droht

der kalte Guß auch aus

einem Schlauch, der von

Burschen des Dorfes be-

10 SCHULE

aktuell

reitgehalten wird. Früher

wurde der Wasservogel

sogar in den Dorfweiher

geworfen.

Der Wasservogelbrauch

ist nach Aussage von Hei–

matforschern

keltisches

Kulturgut. Mit ihm wollte

man in alter Zeit wahr–

scheinlich die Wassergei–

ster versöhnen, indem man

ihnen symbolisch ein Op–

fer darbrachte. Um diesen

Brauch auch in christlicher

Zeit beibehalten zu kön–

nen, wurden die Gedichte,

die von den Kindern vorge–

tragen werden, mit dem

Pfingstfest in Verbindung

gebracht. ln manchen Ver–

sen wird der Wasservogel

sogar Pfi ngstvogel ge–

nannt, was auf den Heili-

Der Was·

servogel

zieht mit

seinem Ge·

folge von

Haus zu

Haus und

bittet um

milde

Gaben.

genGeisthinweisen soll,der

in der christlichen Tradition

in Gestalt einer Taube dar–

gestellt wird .

Der Wasservogelbrauch

findet sich vor allem dort,

wo im Frühjahr große

Hochwassergefahr

be–

stand . Im Schwäbischen

sind dies einige südliche

Donaudörfer, vor allem im

Zusam- und Schmuttertal ,

aber auch im unteren Lech–

und WertachtaL Auch im

Bayerischen Wald wird der

Brauch aufgeführt. ln Wur–

mannsquick in Niederbay–

ern hat man die Gestalt

des Wasservogels sogar in

ein historisches Festspiel

zur Erinnerung an die Un–

garneinfälle einbezogen .

Doch zurück ins schwä-

Der Volksschullehrer ver–

knüpft mit dieser Brauch–

tumspflege auch ein päd–

agogisches Anliegen. Im

Unterricht läßt sich derWas–

servogel nämlich vorzüg–

lich einbauen . So erkennen

die Kinder, daß Formen

heidnischen

Brauchtums

auch vom Christentum

übernommen wurden und

in ihm aufgingen. Darüber

hinaus erfahren die Schüler

Wissenswertes über die

Religion unserer keltischen

Vorfahren. Nebenbei be–

merkt dürften die Wasser–

vogelgedichte zum ältesten

mundartlichen Sprachgut

gehören, das in dieser

Gegend überliefert ist. ln

Pfaffenhafen klingt das an

den Haustüren zu Pfingsten

dann so :

"Pfingschddag,

Pfingschddag, Alleluja!

D'r Wasservogel kommt

g'floga über's Ried

ond macht de Baura

's Wasser driab

von unda bis oba.

Schprengt's Brücklein da Bode!

Wir wollan's wied'r mache

mit Eisa ond mit Schpacha,

wir wollan's wieder ziere

mit Seide ond mit Schnüre.

Wir Kend'r send so wohlbekannt

ond gebans ons derechte Hand.

Eier, Schmalz ond Geld

regiert die ganze Weid.

Gelts Gott!"