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Fortsetzung von Seite 3

V

or gut einem Jahr war

die Schul-Weit noch in

Ordnung. Befragt von

den Tübinger Wi ckert-

lnstituten, sagten damals Ei–

tern und SchüiN mit großer

Mehrheit, die Anforderungen

in unseren Schulen seien ge–

rade richtig, der Unterricht

ein gutes Maß von Nicht-Zu–

viel und Nicht-Zuwenig. Sie–

ben Prozent der Eltern mein–

ten sogar, die Schule könnte

die Schrauben noch etwas

straffer ziehen.

15 Monate später macht

die Meinung einen Kopf–

stand. Bei der neuesten Be–

fragung des gleichen Instituts

im März 1976 geben plötz–

lich mehr als die Hälfte aller

westdeutschen Eltern (58%)

zu Protokoll, " unsere Kinder

sind überfordert, leiden un–

ter Schulstreß" .

Schlüssel! man die Eltern–

meinung nach Berufen auf,

dann zeigt sich, daß Ange–

stellten- und Beamtenväter

sich am meisten betroffen

fühlen. Gleich 68 Prozent von

ihnen antworteten, die An–

forderungen in der Schule

seien zu hoch. Arbeiter da–

gegen sehen nur zu 40 Pro–

zent ihre Kinder im ·Schui–

Streß. Am besorgtesten aber

sind die Großeltern mit 88

Prozent. ln den kleineren

Orten wird die Schulweft

noch ziemIich sorgenfrei be–

trachtet; von zu hohen An–

forderungen ist vor allem in

Städ ten ab 20 000 Einwoh–

nern die Rede (70%). Die ei–

gentliche Sensation der re–

präsentativen

Meinungsbe–

fragung aber ist dies :

Eltern wie Schüler sehen

den Schulstreß überwiegend

nicht dort, wo ihn die Bil–

dungsexperten

vermuten.

Denn nicht ein Zuviel an

Lehrstoff und Leistungsprü–

furgen, an Hausaufgaben

und Schwierigkeit des Lehr–

stoffes steht im Zentrum des

Schulkummers. Mit klarer

Mehrheit deuten Eltern wie

Schüler auf einen bisher

überhaupt nicht beachteten

Wund-Punkt:

Streß und Überforderung

rühren daher, daß der neue

Stoff im Unterricht nicht ge–

nügend erklärt wird (vgl. Ta–

belle rechts). Die vielge–

schmähten Leistungsprüfun–

gen, in den Schlagzeilen der

Presse Streßmacher Nummer

eins, rangieren bei den Eltern

erst an siebter Stelle. Eben–

falls im Gegensatz zur Mei-

4

nung von Schulexperten wol–

len nur wenige Eltern den

" Leistungsdruck" und "zu

große Klassen " in die An–

klageschrift wider den Schul–

streß aufnehmen. Vi el pro–

blematischer erscheint ihnen

die Organisation des Schul–

betriebs, vor allem die Ver–

teilung der Unterrichtsstun–

den auf den Nachmittag.

So rückt der Bericht der

Meinungsforscher einiges zu–

recht, enthüllt, daß so man–

cher lautstarke Ankläger die

Hand offenbar gar nicht am

Puls des Patienten hatte. Die

nun erstmals greifbaren Zeu–

genaussagen der direkt Be–

troffenen reduzieren das bis–

her gezeigte phantasiereiche

Gemälde auf ein realistisches

Tatortphoto. Denn auch das

beweist die Erhebung der –

Tübinger Meinungsforscher:

Im Schülerleben ist neben

der Beanspruchung durchaus

noch Platz für Freizeitspaß.

Die Schule als reines Pauk–

Gefängnis ist ebenso ein

Märchen wie die unausrott–

bare Legende von einer rie–

sigen Armee der " Nachhilfe–

schüler", die es nur mit Pri–

vatlehrern

schaffen.

Und

nicht zuletzt gibt es immer–

hin die stattliche Schar von

42 Prozent aller Eitern, die

den Schui-Streß überhaupt

noch nicht gesichtet haben .

Konkret äußern sich Eltern

und Schüler so:

1.

Auf die Frage " Bleibt

Kindern neben den Schular–

beiten noch Zeit für Freizeit–

spaß?" antwortet die Hälfte

aller Eltern und Schüler mit

"sehr viel " oder "viel " . Nur

14 Prozent der Eitern und 11

Prozent der Schüler melden,

daß Freizeit selten sei.

2. Auf die Frage "Braucht

Ihr Kind zusätzliche Hilfen,

damit es im Unterricht mit–

kommt?" antworten 85 von

100 Eltern_ mit " nein" oder

"gelegentlich ". Bei den Schü–

lern sind es 84 v. H.

3. Mit den Schulleistungen

ihrer Kinder sind im Durch–

schnitt 81 von 100 Eitern "zu–

frieden" oder gar "sehr zu–

frieden". Interessant: Bei den

Vätern sind 90 von 100 zu–

frieden, bei den Müttern nur

72 von 100. Der mütterliche

Leistungsehrgeiz ist also stär–

ker als der der Väter.

Soweit der Aufmarsch der

Zeugen, der Betroffenen.

Was hat ihre Aussage erge–

ben? Viele Anklagepunkte

fallen unter den Tisch. Nur

Eine neue UMFRAGE

mit StreBsorgen

'~

sehen ihn so:

~

"Die Kinder sind überfordert, weil

~%

im Unterricht der neue Stoff nicht

0

genügend erklärt wird.., meinen

"Der Unterricht ist schlecht

30~

über den Tag verteilt... Stundenplan-

0

Sorgen beklagen bei den Eltern

"Die Hausaufgaben sind zu schwie-

aqa/

rig" sagen nur zwei Prozent der

71D

Eltern. "Es sind zu viele", beklagen

"Die Schule nimmt sich zu wenig

D%

Zeit zum Oben und Wiederholen",

0

bedauern von den Eltern

,,Die Kinder müssen in der Schule

13~

zu schwierige Dinge lernen..,

0

denkt fast ein Viertel der Eltern:

"Die Kinder können sich heute

11~

nicht mehr genügend konzentrie-

0

ren", meinen von den Eltern

"Es gibt zu viele

Leistungsprü-11~

fungen... Als StreBursache bezeich-

0

nen dies von den befragten Eltern

,.Die Kinder sitzen zu lange in

der,~~

Schule.., geben die Eltern an,

0

und zwar mit einem Anteil von

"Die Kinder verlieren zu viel Zeit

1~%

beim täglichen Schulweg.., sagen

0

von den streBbesorgten Eltern

"Unser Kind braucht ständige

syste-u~

matische Hilfe, damit es im Unter-

0

richt mitkommt", sagen