"Kauft
Eure Bücher
selbst"
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im
1972,
am
er–
sten Schultag
nach den gro–
ßen
Ferien.
Der Lehrer einer ober–
bayerischen Schule sagte
zu seiner Klasse: "Die Ar–
beit geht wieder los, mit
frischer Kraft und neuen
Büchern. Wie ihr wißt,
sollten eigentlich alle
Schüler in Bayern ihre
Lehrbücher kostenlos er–
halten. Denn in unserem
Land herrscht Lernmittel–
freiheit. Laut Gesetz. Aber
Geld ist knapp. Es reicht
nicht für alle Bücher, die
wir brauchen. Sagt euern
Eitern, daß sie in diesem
Jahr 5 Bücher leider selbst
kaufen müssen."
5 Bücher- 45 DM.
Die ahnungslosen Eitern
legten sie auf den Laden–
tisch. Andere, die das Ge–
setz besser kannten, gin–
gen der Sache nach.
Ergebnis:
Die Schulleitung hatte
nur die Hälfte der für sie
bereitgestellten Mittel an–
gefordert und davon wie–
derum nur die Hälfte ab–
gerufen. Mit anderen Wor–
ten: 75% des zur Verfü–
gung stehenden Geldes
für Schulbücher waren un–
genutzt geblieben!
Mag sein, daß hier Un–
kenntnis im Spiel war,
vielleicht auch Gedanken–
losigkeit. Auf jeden Fall:
Die Geschichte ist wahr.
Sie ist auch kein Einzel–
fall. Deshalb müssen Ei–
tern wissen: Schüler bis
zu 18 Jahren haben in un–
serem Land einen durch
Gesetz verankerten An–
spruch auf kostenlose
Lehrbücher.
30 Millionen
muß
Vater Staat
berappen
Die Lernmittelfreiheit in
Bayern hat Tradition: Be–
reits im Jahre
1949
wurde
sie hier Gesetz. Seit
1972
sind auch "schulbuchzuge–
hörige und schulbucher–
setzende
Arbeitsbögen
und Arbeitshefte" sowie
Schuljahrs–
beginn
in Bayern:
ln 5000 Schul–
bibliotheken
werden
7
5 Mil–
lionen Lehr–
bücher
verteih–
kostenlos.
Damitsich
jeder bayeri–
sche Schüler
Schule
leisten kann.
Arbeitsmaterial für den
Mathematikunterricht lern–
mittelfrei . übrigens: erst–
mals im Bundesgebiet.
Die kostenlosen Schul–
bücher kosten dem Staat
eine Menge: Im vergange–
nen Jahr rund
30
Mill.
DM. Weitere 15 MiII. zahl–
ten dafür die "Bedarfsträ–
ger". Das sind bei den
Volks-, Real- und Berufs–
schulen die Gemeinden
bzw. Landkreise; bei den
staatlichen
Gymnasien
trägt der Staat die volle
Last der Lernmittelfreiheit,
während er bei den übri–
gen Schulen zwei Drittel
der Kosten übernimmt.
1000Titel
zur freien
Auswahl
Weil der Steuerzahler
dafür zur Kasse gebeten
wird, muß das Schulbuch–
angebot sorgfältig geprüft
werden. Nicht alle Bücher
auf dem Markt sind vom
Kultusministerium lernmit–
telfrei zugelassen. Das Ur–
teil pädagogischer Gutach–
ter ist dafür maßgebend.
Innerhalb dieser Voraus–
wahl (derzeit rund 1000
Buchtitel pro Jahr) ent–
scheiden die Lehrer frei,
mit welchen Büchern an
ihren Schulen gearbeitet
werden soll.
So sieht das Auswahlan–
gebot z. B. im Fach Sozial–
kunde aus: Lernmittelfrei
zugelassen sind in Bayern
40 verschiedene Lehrbü–
cher. Zum Vergleich: in
Nordrhein-Westfalen
30,
in Hessen nur 8.
Das
Leihsystem
spart Geld
Es ist klar, daß kosten–
lose Schulbücher nicht ins
Eigentum der Benützer
übergehen können (Aus–
nahmen: die obenerwähn–
ten Arbeitsbögen sowie
Schulbücher, die von ei–
nem Schüler drei Jahre
lang ununterbrochen be–
nutzt worden sind). Die
Bücher sind Leihgaben auf
Zeit. Im nächsten Jahr
werden sie an andere
Schüler ausgegeben. Auch
Ferienleihe ist möglich.
Beschädigte, verschmutzte
und veraltete Bücher wer–
den aus dem Verkehr ge–
zogen und ersetzt.
Wollte man sämtliche
Schüler jährlich mit allen
Büchern neu ausstatten,
würden Staat und Ge–
meinden in Bayern mit
den Kosten von 135 Mill.
DM pro Jahr hoffnungslos
überfordert. Das Leihsy–
stem spart nicht nur Geld,
es ist zugleich rationell,
weil die Bücher über meh–
rere Jahre optimal ausge–
nützt werden.
Wußten Sie, daß die
Bundesländer Niedersach–
sen, Rheinland-Pfalz und
das Saarland keinerlei
Lernmittelfreiheit kennen?
Daß dort die Eitern in je–
dem neuen Schuljahr die
komplette Bücherausstat–
tung für ihre Kinder aus
der eigenen Tasche zah–
len müssen? Das bayeri–
sche Leihsystem entlastet
einkommensschwache und
kinderreiche Familien. Es
gibt arm und reich die
gleichen Chancen in der
Schule.
Was tun
Eltern,
wenn's nicht
klappt?
Allerdings haben unsere
Lehrer mit dem Austeilen
und Einsammeln der Bü–
cher, mit Registrieren, Sor–
tieren,
Bestandergänzen
usw. viel zusätzliche Ar–
beit. Aber deshalb einfach
die Schüler anzuweisen:
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Kauft eure Bücher selbst!"
ist gegen das Gesetz. Auch
das Argument: "Wir ha–
ben kein Geld für Lehrbü–
cher", darf es nicht geben.
Denn: Kostenlose Bücher
stehen Schülern in Bayern
ZU.
Was tun Eitern, wenn
es irgendwo nicht klappt?
Zunächst wenden sie sich
an die Schulleitung, dann
an die zuständige Auf–
sichtsbehörde (Schulamt,
Regierung oder Kultusmi–
nisterium) mit der Bitte,
den "Sachbedarfsträger"
auf seine Pflicht hinzuwei–
sen.
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