Moderne Zugvögel
mit Sack
und Pack
unter·
wegs
Seit eh und je treibt
es junge Leute in
die Ferne. 108
bayerische Jugend-
herbergen halten
für sie die Tore of–
fen. Aber auch im–
mer mehr Familien
mit Kindern ent–
decken dieses
Angebot.
Fortsetzung von Seite 3
beispielhaft, wie weit die Sorge
der Herbergseitern für ihre jun–
gen Gäste reicht. Einen festen
Feierabend, geregelte Dienst–
stunden wie in anderen Berufen
kennen sie nicht. Auch der
Sonntag wird da oft zum harten
Arbeitstag, wenn Schulklassen,
Pfadfinder oder Wandergrup–
pen wie Zugvögel in die Ju–
gendherberge einfallen, wenn
Zimmer zugeteilt, Bettwäsche
ausgegeben, Essen gekocht
werden muß.
Auf weit mehr als 1,5 Millio·
nen Übernachtungen bringen
es die bayerischen Jugendher–
bergen im Jahr. 108 Häuser ste–
hen dafür bereit. Nicht irgend–
wo, sondern in den schönsten
Landschaften und an den reiz–
vollsten Plätzen findet man sie:
im Bayerischen Wald und im
Altmühltal, im mittelalterlichen
Rothenburg ebenso wie am
Chiernsee (siehe Karte S. 6) .
Romantische Ritterburgen,
Berghütten in uriger Land–
schaft, ausgediente Mühlen,
sogar ein verlassener Herzogs–
sitz wurden dafür umgebaut
und hergerichtet. Nach dem
zweiten Weltkrieg kamen dazu
noch Neubauten. So entstand
ein dichtes Netz preisgünstiger
Herbergen. Hier findet die Ju–
gend Quartier, gleich ob sie zu
Fuß, mit der Bahn, dem Fahr–
rad oder motorisiert unterwegs
ist.
Das alles begann vor 75 Jah–
ren, genau am 26. August
1909. Lehrer Richard Schirr-
4
mann hatte damals auf einer
Wanderung mit seiner Schul–
klasse Unterkunft in einer
Scheune gefunden. Während
draußen ein fürchterliches Ge–
witter tobte, machte er sich Sor–
gen um die Sicherheit seiner
Schützlinge.
Da reifte in ihm der Plan, fe–
ste Stützpunkte für das jugend–
wandern ins Leben zu rufen.
Die abendliche Quartiersuche
sollte nicht länger dem bloßen
Zufall überlassen bleiben.
Unterstützt von einer Schar
Gleichgesinnter gründete er
wenig später das Deutsche ju–
gendherbergswerk.
Schon
1912 wies das Gesamtver–
zeichnis 65 feste Wanderstütz–
punkte aus, verteilt über ganz
Deutschland. Sie waren alles
andere als komfortabel.
Leergeräumte
Klassenzim-
mer, einfache Hütten und Ka–
sernenstuben mußten fürs erste
genügen . Gern nahm man da–
mals die bescheidene Unter–
kunft in Kauf; denn nicht um
Hotelkomfort und Gaststätten–
service ging es den jungen
Leuten .
Ihr Sinnen und Trachten rich–
tete sich auf andere Ziele. Sie
suchten den Kontakt zur Natur,
wollten ursprüngliches · Leben
erleben, sich die Heimat er–
wandern. Sie wollten frei sein
von "grauer Städte Mauern",
sehnten sich nach der Gemein–
schaft mit Gleichgesinnten .
Auch wenn unsere Jugend–
herbergen heute den einfachen
Beginn nicht mehr ahnen las-
sen, die Ideen der Gründungs–
väter sind trotzdem so lebendig
wie eh und je. Das jugendher–
bergswerk will den bunt zu–
sammengewürfelten
Gästen
Städte und Landschaften er–
schließen und ein preisgünsti–
ges Quartier anbieten. Zugleich
sollen die jungen Leute dort so–
ziales Verhalten lernen .
Sie müssen gegenseitig Rück–
sicht üben, Aufgaben für ande–
re mitübernehmen, um der Ge–
meinschaft willen eine Haus–
ordnung anerkennen. Unver–
zichtbar sind Bettruhe und Es–
sen zu festen Zeiten, die Über–
nahme von Tisch- und Reini–
gungsdiensten im Speisesaal.
Zigaretten, Bier und Schnaps
haben in Jugendherbergen da–
gegen nichts zu suchen.
Die bayerischen Jugendher–
bergen sind unterschiedlich
groß. Da gibt es ganz kleine mit
nur 50 Betten, aber auch Häu–
ser, die 200 oder gar 350 Gäste
beherbergen können . Auch bei
der Ausstattung herrscht kein
EinheitsstiL Je jünger das Bau–
jahr, desto moderner sind na–
türlich die Zimmer, die sanitä–
ren Einrichtungen, die Aufent–
haltsräume und die Küche.
Längst sind es nicht mehr nur
Jugendliche, die hier Quartier
nehmen . Abgesehen von den
Lehrern und Gruppenleitern
entdecken immer mehr Eitern
mit Kindern unsere Jugendher–
bergen . Auch ihnen stehen
nämlich die gastlichen Häuser
offen.
Vor allem die Preise, die man
hier zahlt, sind für Familien mit
Kindern attraktiv. Pro Person
kostet die Übernachtung 6,50
DM, das Frühstück 2,80 DM.
Natürlich gibt es auch Vollver–
pflegung. Pro Person und Tag
zahlt man dafür zur Zeit 11 ,80
DM. Familien mit mindestens .
zwei Kindern unter 10 Jahren
erhalten eine Ermäßigung. ln
den meisten Häusern hat jede
Familie ein Zimmer für sich.
Aber sonst werden für Eitern
mit Kindern keine Extras ge–
boten.
Jugendherbergen
locken
nicht nur mit ihren günstigen
Preisen. Besonders anziehend
ist auch ihr enormes Hobby-,
Freizeit- und Ferienprogramm.
Bei schlechtem Wetter geht
man in den Fernseh- oder Lese–
raum, spielt Schach, Tischten–
nis oder Kicker. Auch im Kla-
vierzimmer oder Filmraum, an
der Stereoanlage und im Beat–
keller lassen sich Regentage
vergessen.
Viele Jugendherbergen bie–
ten auch Kurse an, z. B. für
Töpfern, Volkstanz, Himmels–
beobachtung oder Reiten . Läßt
es das Wetter zu, dann kom–
men Spiel, Sport und Wandern
in der freien Natur zu ihrem
Recht. Da gibt es Langlaufloi–
pen und Freibäder, Bolz- und
Grillplätze,
Kegelbahnen,
Spielwiesen und Minigolfanla–
gen. Jugendherbergen organi–
sieren Werksbesichtigungen,
arbeiten Wander- und Bergtou–
ren aus, weisen Wege zu Na–
turschutzgebieten und Wa
lehrpfaden.
Wer all dies in Anspruch
nehmen will, muß Mitglied
sein im Deutschen Jugendher–
bergswerk. Das Höchstalter für
Einzelgäste ist in Bayern auf 27
Jahre festgelegt. Der Mitglieder–
beitrag richtet sich nach dem
Alter. Bis einschließlich 24 Jah–
re zahlt man 10 Mark pro Jahr,
wer älter ist 18 Mark.
Für Eitern mit minderjährigen
Kindern gibt es keine Altersbe–
grenzung. Sie zahlen 18 Mark
pro Jahr für die ganze Familie.
Volljährige Kinder müssen al–
lerdings eine eigene Mitglied–
schaft erwerben.
Der Familienausweis wird
übrigens auch an alleinstehen–
de Elternteile mit minderjähri–
gen Kindern ausgegeben . Erbe–
rechtigt dazu, nicht nur die ei–
genen Kinder in die Jugend ".–
berge mitzubringen, sond
auch deren Freunde. Aber wie
wird man Mitglied im Deut–
schen Jugendherbergsverband?
Wo gibt es die Ausweise?
1.
Man schreibt eine Postkar–
te oder telefoniert an den Lan–
desverband Bayern, Mauerkir- .
cherstr. 5, 8000 München 80;
Tel. 089/987451 . Für eine
Schutzgebühr von sechs Mark
bestellt man sich dort das
"Deutsche . Jugendherbergsver–
zeichnis" . Es enthält die An–
schriften und Kurzbeschreibun–
gen der mehr als 500 Jugend–
herbergen in der Bundesrepu–
blik. Man findet darin aber
auch alle Stellen aufgeführt, an
denen Mitgliedsausweise zu er–
hal.ten sind.
2. Mit Reisepaß oder Perso–
nalausweis geht man zur
nächstgelegenen Ausgabestel-