Prof. Hans Maier
Bayerischer Staats–
minister für Unter–
richt und Kultus
Dr. Fritz Pirkl
Bayerischer Staats–
minister für Arbeit
und Sozialordnung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten uns heute gemeinsam persönlich
an Sie wenden, in einer Angelegenheit, die uns
sehr am Herzen liegt.
Sicher wissen Sie aus Zeitungen, Radio, Fern–
sehen oder gar aus Ihrem unmittelbaren Be–
kanntenkreis Bescheid über die erschreckende
Zunahme des Alkohol- und Drogenmiß–
brauchs. Jahr für Jahr werden immer mehr
Kinder und Jugendliche in einen Teufelskreis
hineingezogen, in dem sie körperlich und see–
lisch zerstört werden. Aus eigener Kraft gibt es
daraus kaum jemals ein Entrinnen.
Der Mißbrauch von Alkohol und Drogen führt
häufig zu Krankheit , Verbrechen und zum Tod
-die Zahlen des Landeskriminalamts sprechen
eine deutliche Sprache . Doch hinter jeder Zahl
steht ein Einzelschicksal, steht ein junger
Mensch, stehen Eltern und Verwandte, die sich
am Ende fragen , warum es soweit hatte kom–
men können , warum man nichts getan hatte ,
um rechtzeitig zu helfen.
Die Maßnahmen des Staates zur Aufklärung
sind vielfältig. Den Lehrern wird von unseren
bayerischen Ministerien eine Reihe von Unter–
richtsmitteln an die Hand gegeben, die über die
Gefährlichkeit des Mißbrauchs informieren.
Jedoch alle diese Abwehrmaßnahmen reichen
noch nicht aus. Wir möchten daher gerade Sie
als Eltern zur Mitarbeit aufrufen. Wir sind der
Meinung, daß gerade die Familie als Ort der
Geborgenheit, des Meinungsaustauschs, des
Ratholens unsere Kinder und Jugendlichen in
erster Linie vor gefährlichen Einflüssen von au–
ßen schützen kann. Ein harmonisches Fami–
lienleben ist immer noch -und vielleicht sogar
mehr als früher- das Vorbild für den eigenen
Lebensweg.
Drogen und Rauschmittel wirken auf jeden
Menschen anders, auch die Gefährlichkeit ist
verschieden. Es gibt darum keine einfachen
Antworten oder gar Patentrezepte. Wir möch–
ten Ihnen aber zur Vorbeugung einige Rat–
schläge anbieten, Sie zu erhöhter Wachsamkeit
aufrufen und Ihnen Hilfen geben, die bei be–
sonderen Gefährdungen Ihrer Kinder nützlich
sind. ·
Heranwachsende haben häufig Gemütsschwan–
kungen , einmal sin.d sie himmelhoch jauch–
zend, im_nächsten Moment zu Tode betrübt.
Sie suchen nach Idealen und nach dem eigenen
Weg ins Leben. Oftmals schlagen sie über die
Stränge, weil sie den Erwachsenen zeigen wol–
len , daß sie keine Kinder mehr sind. In diesen
Jahren der Reife brauchen Ihre Kinder beson–
ders viel Verständnis. Die Eltern sollten ihnen
klare Richtlinien geben und sie behutsam len–
ken ; denn die Gefahr der Beeinflussung durch
andere ist gerade jetzt besonders hoch.
Kinder finden heute oftmals nicht mehr die
Spielmöglichkeiten, sie können ihre kleinen
Abenteuer nicht mehr so ausleben wie wir frü–
her. Vor allem in den dichtbesiedelten Städten
mit ihren häufig uniformen Wohnanlagen ist
das so. Aber auch auf dem Land hatsich vieles
verändert. Kinder stoßen oft an Grenzen und
Verbote. Langeweile macht sich breit , ein
g~fährlicher Nährboden für Experimente aller
Art. Sie sollten daher Ihre Kinder zu sinnvoller
Nutzung der Freizeit anleiten und sie mit ihnen
gestalten. Sicher gibt es vieles, was Ihren Kin–
dern Spaß macht. Fördern Sie die Interessen
und Hobbies Ihrer Kinder und geben Sie ihnen
die Möglichkeit zu aktiver sportlicher Betäti–
gung. Nur anderen, z. B. "Profis" , zuzuschau–
en nützt nichts für das eigene körperliche Trai–
ning.
Gerade wir Erwachsenen geben schlechte Bei–
spiele genug: Zu jeder Feier gehört Alkohol.
Am Abend beim Fernsehen wird das Trinken
von alkoholischen Getränken und das Rauchen
vielfach als ganz selbstverständlich angesehen.
Viele von uns versuchen unangenehmen Situa–
tionen durch Trinken oder Einnahme von Me–
dikamenten auszuweichen, obwohl sie wissen ,
daß die Probleme dadurch nicht gelöst werden.
Besonders bedenklich aber ist, daß gegen jedes
kleine Wehwehchen heute eine Pille geschluckt
wird. Hiermit werden bereits in der Familie bei
den Kindern die natürlichen Hemmschwellen
gegen Alkohol und Drogen herabgesetzt.
Durch die Möglichkeit, daß Ihr Kind ungehin–
dert an Alkohol oder Arzneimittel gelangen
kann, leisten Sie dem Drogen- und Rauschmit–
telmißbrauch Vorschub. Deshalb unsere Bitte:
Versuchen Sie Ihren Kindern Vorbild zu sein!
Besonders gefährdet sind Kinder, denen die
nötige Nestwärme fehlt, denen alle Wünsche
erfüllt werden, weil die Eltern keine Zeit für
sie opfern wollen. Gerade solche junge Men–
schen langweilen sich oft, sie suchen den Reiz
Jeder junge Mensch- also auch Ihr Kind- ist
des Verbotenen, der Gefahr. Sie fühlen sich
heute gefährdet; denn eine Gefährdung ist
erst wohl in einer Gruppe Gleichgesinnter, die
nicht auf einen bestimmten Personenkreis , auf
ihnen das bietet, was sie zu Hause nicht finden
Stadt oder Land beschränkt.
können . Nehmen Sie sich daher Zeit für Ihr
--------~--------------------------------------~~
3