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Lehrstelle heiß umkämpft,
und das Angebot reicht oft
nicht aus. Dagegen sind an–
dere, nicht weniger interes–
sante und lohnende Berufe
auf der Wunschliste der Ju–
gend oft weit abgeschlagen
oder tauchen dort mangels
Information überhaupt nicht
auf. Kein Wunder, daß dann
sogar auch attraktive Lehr–
stellen "leer" stehen. Allein
in Nordbayern fristen rund
140
solcher Berufe ein Aschen–
brödeldasein. Oft macht auch
die einse1t1g ausgerichtete
Wirtschaft der engeren Hei–
mat jungen Leuten bei der
Lehrstellensuche einen Strich
durch die Rechnung. Das An–
gebot an Ausbildungsplätzen
hängt nun einmal davon ab,
welche Firmen und Branchen
in einem Gebiet ansässig sind.
Von Landkreis zu Landkreis
ist das oft sehr verschieden.
Trotzdem ist damit über
Erfolg oder Mißerfolg bei der
Lehrstellensuche noch lange
nicht das letzte Wort gespro–
chen. Wer beweglich ist und
über den Zaun blickt, dem
öffnen sich viele Türen. Und
immer noch ist eine Lehr–
stelle in
100
km oder noch
weiter ab vom Elternhaus
besser als der Hilfsarbeiter–
Job um die Ecke. Das Pro–
blem der Entfernung läßt sich
nämlich lösen. Aber nicht
durch tägliches Pendeln, das
nur Zeit und Kräfte raubt. Ei–
ne viel bequemere Brücke
schlagen da Bayerns Jugend–
wohnheime. Hier finden
Lehrlinge Unterkunft und Be–
treuung, damit sie unabhän–
gig vom Wohnort der Eltern
einer qualifizierten Ausbil–
dung nachgehen können.
Die Anschriften dieser Hei–
me veröffentlicht S& W auf
den folgenden vier Seiten,
und zwar geordnet nach den
bayerischen Regierungsbezir–
ken. Daneben stehen jeweils
diejenigen Lehrberufe, die in
der betreffenden Region ver–
hältnismäßig zahlreich ange–
boten werden und anderswo
vielleicht weniger bekannt
sind. (Berufe wie Maurer und
Verkäuferin, die man überall
findet, wurden dabei ausge–
spart.) Nicht länger sollten
daher Hauptschüler bei der
Lehrstellensuche nur "am Ort
treten". Mehr Bewegung,
mehr Mobilität tut not. Der
Sprung oder wenigstens der
Blick in einen anderen Regie–
rungsbezirk könnte man-
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Kost und Logis für Lehrlinge, die fern vom
Elternhaus leben, bieten die Jugendwohnheime
zu günstigen Preisen.
ehern, der sich zu Hause ver–
geblich umsieht, neue Chan–
cen auf einen Ausbildungs–
beruf öffnen.
Die Landschaften unseres
Freistaats haben in ihrer
Wirtschaftsstruktur und damit
im Lehrstellenangebot ihr ei–
genes Profil. Darauf sollte
man sich einstellen. ln der
Oberpfalz ist das Handwerk
stark vertreten, Niederbayern
hat viele landwirtschaftliche
Ausbildungsplätze, Oberbay–
ern und Mittelfranken bieten
eine Konzentration kaufmän–
nischer und industrieller Be–
rufe. Wer sich der Binnen–
schitfahrt oder dem Weinbau
zuwenden will, muß nach
Unterfranken gehen. Textil–
berufe sind in Oberfranken
und Schwaben zu Hause.
" Lehrjahre sind Wander–
jahre", müßte darum der
Wahlspruch für jeden sein,
der sich schwer tut bei der
Suche nach einem Ausbil–
dungsplatz. A n Mutters Rock–
zipfel findet er ihn nicht. Ge–
stützt auf einen Wohnheim–
platz in der Nachbarprovinz
aber sehr wahrscheinlich. Er
braucht dazu nicht kreuz und
quer durch die bayerischen
Lande auf Suche zu gehen.
Es genügt der Gang zum
nächsten Arbeitsamt. Dort
meldet er seinen Berufs–
wunsch oder am besten meh–
rere, die für ihn in Frage
kommen. Mit einem ausge–
klügelten Vermittlungsverfah–
ren tauschen die Arbeitsäm–
ter untereinander ihre Infor–
mationen aus, leiten Berufs–
wünsche weiter - notfalls
durch das gesamte Bundes–
gebiet. So helfen sie, auch
über große Entfernungen hin–
weg, den gesuchten Ausbil–
dungsplatz zu finden. Auch
ein Wohnheim benennen sie.
Freilich : Viele Eltern lassen
ihre halbwüchsigen Sprößlin–
ge nur mit Sorge auf eine
ferne Lehrstelle ziehen. Wer
sorgt dort für sie? Unter wel–
che Einflüsse wird ihr Kind
geraten? Hier kommen die
Jugendwohnheime wie geru–
fen . Heimleiter und Erzieher
bieten den jungen Menschen
auch weit entfernt von der
Familie ein sicheres Zuhause.
Sie betreuen nicht nur das
leibliche Wohl, sondern för–
dern auch die persönliche
Entwicklung ihrer Gäste, küm–
mern sich um die berufliche
Ausbildung. Sie übernehmen
also Erziehungsaufgaben der
Eltern.
Damit sich der Jugendliche
im Wohnheim zu Hause fühlt,
gibt es dort ein Freizeitange–
bot, Bibliotheken, Fernseh–
geräte, Plattenspieler und
Radioapparate. Auch Sport
und Spiel werden groß ge–
schrieben. Vorträge und Dis–
kussionen runden das Pro–
gramm ab. Wer will, kann au–
ßerhalb des Heimes in einem
Verein mitarbeiten oder Ver–
anstaltungen besuchen . Noch
mehr: Auch für persönliche
Probleme der anvertrauten
Jugend haben die Erzieher
ein offenes Ohr.
Neben Heimen mit umfas–
sender Betreuung gibt es
auch einige andere, die nur
ein preisgünstiges Nachtquar-
tier anbieten. Dort ist der
Wohnplatz oft schon für
100
bis
140
DM im Monat zu ha–
ben. Entsprechend gering ist
dann allerdings auch die per–
sönliche Betreuung. ln den
Heimen mit voller Verpfle–
gung und großem Service
zahlt man monatlich 320 bis
450
DM. Aber am Geld soll's
nicht scheitern. Notfalls greift
das Arbeitsamt nämlich mit
einer "Berufsausbildungsbei–
hilfe" unter die Arme.
105
Jugendwohnheime ste–
hen in Bayern, verteilt auf 39
Orte. 83 von ihnen werden
von kirchlichen Gemeinschaf–
ten betrieben. Die Aufnahme
ist jedoch nur sehr selten an
eine bestimmte Konfessio
gebunden. Bevor Eltern eine
Heimvertrag unterschreiben,
sollten sie das Haus ansehen,
sich die Zimmer zeigen las–
sen, Formulare und Hausord–
nung genau lesen:
e
Wer ist der Träger des
Heims? Wie intensiv betreut
er die Jugendlichen? Welche
Erziehungsziele verfolgt er?
e
Hält das Heim Kontakt
zum Ausbildungsbetrieb und
zur Berufsschule?
e
Gibt es im Heim einen
stillen Studierplatz? Fachliche
Hilfe?
e
Darf man Musik machen?
Welches Freizeitangebot hat
das Heim?
e
Kümmert sich das Heim
bei Erkrankung um einen
Arzt? Wird dort auch ein
kranker Heimbewohner ver–
sorgt?
e
Darf man auch übers Wo–
chenende einmal im Heim
bleiben?
e
Wird die Bettwäsche vom
Heim gestellt? Kann man die
Leibwäsche waschen lassen?
e
Gibt es Dusche- oder Bad–
benützung? Ist sie im Heim–
preis eingeschlossen?
e
Wer reinigt das Zimmer
und bringt es in Ordnung?
e
Stellt das Heim auch Ver–
pflegung zum Mitnehmen,
wenn der Lehrling einen wei–
ten Weg zum Betrieb hat?
So verschieden die Haus–
ordnungen und die Heimver–
träge auch sein mögen - ei–
nes haben die Jugendwohn–
heime gemeinsam: Sie sind .
ein guter Platz, um Jugend–
lichen fern von den Eltern ei–
ne Heimat auf Zeit zu bieten.
Sie sind ein ausgezeichnetes,
altbewährtes " Haus"-Mittel,
um örtliche Lehrstellenpro–
bleme zu lösen.