Fortsetzung von Seite 3
führt nicht zur Brüderlichkeit,
sondern zum Kampf aller gegen
alle. Seine Triebfeder ist die
Angst vor dem Versagen. Wer
nicht mithalten kann im Wett–
bewerb, so heißt es, der bleibt
auf der Strecke. Eine Gesellschaft,
die mit der Elfe der Leistung
mißt - stempelt sie Versager
nicht wirklich zum Ausschuß?
Derart ins Extrem getrieben,
wäre das Leistungsprinzip tat–
sächlich unmenschlich und un–
gerecht. Zum Glück sieht die
Wirklichkeit aber anders aus.
· Niemand leugnet zwar, daß es
dort, wo die Leistung zählt, Här–
ten gibt. Kein Wettbewerb ohne
Verlierer. Abgehängt werden tut
weh.
Auf der anderen Seite: Sichern
nicht die Erfolgreichen und Tüch–
tigen mit ihrer Lebensleistung
auch den Schwachen und Ge–
scheiterten ein menschenwür–
diges Dasein? Sind es nicht die
Leistungsstarken, die das Leid und
die Last der Kranken, Alten und
Behinderten mittragen? Soziale
Sicherheit auch für die Schwa–
chen gibt es doch nur dort, wo
andere für sie die Lebensgrund–
lage erwirtschaften.
Darum bedeutet Verzicht auf
das Leistungsprinzip nicht mehr
Menschlichkeit, sondern weni–
ger. Der Sozialstaat wäre am
Ende, der Schwache tatsächlich
in die Verelendung gedrängt.
Kein Schlaraffenland entstünde,
sondern Massenarmut und Kul–
turlosigkeit.
Ohne Leistungsprinzip gäbe es
auch nicht mehr Demokratie,
sondern weniger. Wie sollen
denn die begehrten Plätze in
einer freien Gesellschaft verge–
ben werden, wenn nicht nach
Leistung? Was sonst kann und
darf überhaupt in der Demokra–
tie zum Aufstieg berechtigen?
Etwa adelige Abkunft, Patronage
und Parteibuchwirtschaft? Neu–
tral ist nur die Leistung.
Wer darum das Leistungsprin–
zip verteufelt, weil es anstren–
gend ist und vermeintlich un–
sozial, wer statt dessen den Ab–
bau der Leistung predigt, der soll
ein anderes ebenso demokrati–
sches Auswahlverfahren nennen.
Solange es das nicht gibt, tut
uns nicht die Demontage des
Leistungsgedankens not, son–
dern seine sorgfältige Pflege.
Allerdings: Wer Leistung will
für sich und andere- und keiner
kann sich hier guten Gewissens
ausnehmen -, der muß auch zu–
gestehen, daß sie honoriert wird.
Der Einsatz muß sich auszahlen.
Ohne zugkräftigen Anreiz, sprich
höheres Einkommen und Anse–
hen, strengt sich niemand an.
Darum gehört zur Leistung un-
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verzichtbar der Lohn, die nach
Schwierigkeit und Wertschätzung
der erbrachten Arbeit abgestufte
Prämie. Natürlich führt das zu
Unterschieden und Ungleichhei–
ten. Man kann eben nicht bei–
des, sowohl die Leistung beja–
hen als auch der Gleichmacherei,
dem Einheitslohn, der Einheits–
rente das Wort reden.
Eine dem Leistungsgedanken
verpflichteteWeit kann dieSchule
nicht ausklammern. Auch hier
muß Leistung gefordert und er–
bracht werden, selbst wenn sie
sich nicht sofort in materiellen
Verdienst umsetzt. Lernen ist
Lebensfeistung, gespeichert für
die Zukunft. Darum ist nieman–
dem geholfen, wenn die Schule
von unseren Kindern immer we–
niger verlangt, die Hürden vor
dem Abschlußzeugnis, dem Di–
plom und Doktorhut immer
weiter abbaut.
Wer Leistung will, der muß
auch ja sagen zur Leistungsfest–
stellung, zur Auswahl durch Prü–
fungen. Er muß sich trennen vom
Wahn der Einheitszensur. Wenn
nämlich die guten Noten immer
billiger werden, macht man sie
wertlos wie lnflationsgeld. Nur
scheinbar erleichtert man das Le–
ben. ln Wahrheit nimmt man den
begabten und leistungswilligen
Schülern gerade der einfachen
Bevölkerungskreise die Leiter
zum sozialen Aufstieg, zerstört
ihre Zukunft.
Dennoch: Bei allem Ja zum
Leistungsgedanken - nirgendwo
ist die Gefahr, daß er ins Inhu–
mane abgleitet, so groß wie in
der Schule.
Vor
Leistungsdruck
und Versagensangst bewahren
wir die Kinder, wenn wir sie in
Schulen schicken, deren Anspruch
sie gewachsen sind. Dieser Eltern–
pflicht entspricht die der Lehrer,
nur kind- und altersgemäße An–
forderungen zu stellen.
Wichtig ist auch, Leistung und
Schulerfolg richtig einzuordnen.
Kinder dürfen sich nicht wertlos
fühlen, wenn sie nur untere und
mittlere Rangplätze erreichen.
Stets muß die Liebe der Eltern
und Lehrer dem Kind gelten,
nicht dem, was es in der Schule
leistet und der Familie an Pre–
stige einbringt.
Wer lernt, der leistet. Wer
mehr lernt, der leistet mehr.
Darum soll man Kinder gewiß
zur Leistungsbereitschaft erzie–
hen. Sie ebenso aber auch dazu
anhalten, die Leistung anderer
ohne Neid gelten zu lassen. Und
schließlich: Niemand hat das
Recht, auf Leistungsgehemmte,
Behinderte, Schwache und Schei–
ternde verächtlich herabzublik–
ken; denn wir sitzen alle in
einem Boot.
e
Wohnen im Heim
hat seinen Reiz:
Man findet
Geselligkeit unter
Gleichaltrigen,
Gespräche, Sport
und Spiel. Wer Ruhe
sucht, zieht sich in
sein Zimmer zurück.
Ausbildungsplätze gibt
es genug. Aber nicht
überall und nicht für
jeden Beruf. Wer an
seinemWohnort keinen
findet, kommt vielleicht
anderswo zum Zug. Mehr
als 100Jugendwohnheime
sorgen in Bayern dafür,
daß junge Leute auch
fern der Heimat in die
Lehre gehen können.