Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 11

Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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41 Schmidt (wie Anm. 7), S. 241.
42 Der in diesem Kontext ebenfalls verwendete Begriff der sozialen Partizipation ist wiederum umfassender zu verstehen als jener der politi-
schen Partizipation. Demnach beschränkt sich die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger nicht auf die politische Sphäre, sondern wird in al-
len gesellschaftlichen Bereichen wirksam; vgl. Oscar W. Gabriel/Kerstin Völkl: Politische und soziale Partizipation, in: Handbuch Politi-
sches System der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Oscar W. Gabriel und Everhard Holtmann,
3
München [u. a.] 2004, S. 523–573.
43 Vgl. Norbert Kersting: Innovative Partizipation. Legitimation, Machtkontrolle und Transformation. Eine Einführung, in: Politische Beteili-
gung. Einführung in dialogorientierte Instrumente politischer und gesellschaftlicher Partizipation, hg. von Wolfgang Kersting, Wiesbaden
2008, S. 11–39.
44 Vgl. Kost (wie Anm. 6), S. 27–31, und Schmidt (wie Anm. 7.), S. 236–253.
45 Kost (wie Anm. 6), S. 27.
soll im gesamten politischen Prozess möglich sein. Die re-
präsentative Demokratie wird damit nicht verworfen, aber
die Forderung nach mehr direkter Demokratie ist doch der
zentrale Leitgedanke.
Nur kurz sei abschließend auf neuere, „beteili-
gungszentrierte Demokratietheorien“ verwiesen, welche in
der Debatte um die direkte Demokratie eine Rolle spielen.
Dabei lässt sich mit Manfred G. Schmidt ein partizipatori-
scher Theoriestrang identifizieren, der – vereinfacht formu-
liert – das Ideal einer möglichst weitreichenden Beteiligung
der Bürgerinnen und Bürger an allen wichtigen politischen
Entscheidungen vertritt. Davon zu unterscheiden ist die
deliberative Demokratietheorie, der es im Kern um „an-
spruchsvolle Prozeduren der Beratung und Beschlussfas-
sung“
41
geht. Ganz grundsätzlich ist diese Theorierichtung
jedoch geleitet von der normativen Prämisse, dass die Input-
Legitimation des politischen Systems durch umfassende
Teilhabe gestärkt werden soll. Eine weitere begriffliche Prä-
zisierung erscheint an dieser Stelle hilfreich: Die beteili-
gungszentrierten Demokratietheorien weiten den Blick
nämlich über Wahlen und Abstimmungen hinaus auf weite-
re Formen der Bürgerbeteiligung aus.
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Letztere gilt es von
direktdemokratischen Instrumenten im engeren Sinne zu
unterscheiden. Denn die Verfahren der Bürgerbeteiligung
zeichnen sich dadurch aus, dass die Bürgerschaft zwar un-
mittelbar in den politischen Meinungs- und Willensbil-
dungsprozess involviert wird. Die politische Letztentschei-
dung verbleibt aber in der Regel beim repräsentativen Insti-
tutionensystem.
43
Aus dem vielfältigen Spektrum von Theorieansät-
zen seien hier lediglich zwei Beiträge hervorgehoben, wel-
che die nationale wie internationale Debatte nachhaltig prä-
gen: Benjamin Barbers Konzept der
„Strong Democracy“
sowie die prominent von Jürgen Habermas vertretene
Theorie einer „deliberativen Demokratie“.
44
Wie schon
Jean-Jacques Rousseau mehr als 200 Jahre zuvor betrachtet
Barber die Delegation von politischer Macht an gewählte
Repräsentanten als „Gift für die Demokratie“.
45
Besonders
kritisch setzt er sich mit den Verhältnissen in den USA aus-
einander. Ausgehend von seiner Defizitanalyse der liberalen
Repräsentativdemokratie, plädiert er in seinem Hauptwerk
für eine radikal-demokratische Alternative in Form einer
konsequent partizipatorischen, „starken Demokratie“. Da-
bei betont er den prozessualen Charakter aktiver Partizipa-
tion, welche sich von der gemeinsamen Diskussion politi-
scher Angelegenheiten (
„talk“
) über die konkrete Entschei-
dungsfindung (
„decision-making“
) bis zur Umsetzung
dieser Entscheidungen durch gemeinsames Handeln (
„com-
mon action“
) erstreckt. Barbers Partizipationsmodell will
die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, autonom
Idee und Perspektiven der direkten Demokratie
Tabelle 2: Grundauffassungen politischer Partizipation aus Sicht der realistischen versus normativen
Demokratietheorie
Quelle: Hoecker (wie Anm. 39), S. 9, geringfügig modifiziert
Vergleichskriterium
Begriff
Funktion
Formen
Reichweite
Intensität
Politische Kompetenz
der Bürgerinnen und
Bürger
Politische Apathie
Instrumentelles Partizipationsverständnis
Methode und Mittel zum Zweck
Regulierung gesellschaftlicher Konflikte durch
Repräsentation und Elitenherrschaft
Repräsentativ-demokratische Formen,
v. a. Wahlen
Beschränkung auf die politische Sphäre
Punktuell
Mangel anWissen, Einsicht und Engagementbe-
reitschaft
Funktional im Sinne der Systemstabilität
Normatives Partizipationsverständnis
Ziel undWert an sich
Selbstbestimmung/-verwirklichung
Direktdemokratische Formen
Politisch-sozialeTeilhabe in möglichst vielen
Gesellschaftsbereichen
Prozessual
Erwerb durch Bildung, partizipatorische Praxis
Ergebnis d. Herrschaftsverhältnisse, Abbau durch
Ausbau der Partizipation
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