Table of Contents Table of Contents
Previous Page  57 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 57 / 64 Next Page
Page Background

Hitlers

Mein Kampf

– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit

57

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16

Künstlerische Auseinandersetzungen

Eine ganz eigene Form der Auseinandersetzung mit dem

Thema fanden schließlich auch künstlerische Bearbeitun-

gen. Bereits 1943 hatte der Disney-Film

Der Fuehrer’s Face

eine satirische Darstellung der Situation in Deutschland

geboten: In einer Szene bekommt ein einfacher Arbeiter

nicht genug zu essen, wird dafür aber genötigt, in Hitlers

Mein Kampf

zu lesen.

75

Auch im Disney-Film „Education

for Death: The Making of the Nazi“ (1943) begegnet

Mein

Kampf

: An einer Stelle erhält ein Paar ein Exemplar, als es

die Geburt seines Sohnes meldet. Hier handelt

es sich wohl um eine Verwechslung mit der

häufigen Überreichung des Buches als offi-

zielles Hochzeitsgeschenk. An einer ande-

ren Stelle verwandelt sich in einer Über-

blendung die „Holy Bible“ in

Mein Kampf

,

um die Gottlosigkeit der NS-Bewegung und

die ideologische Durchdringung des deutschen

Volkes zu symbolisieren.

76

In einem Mickey-Mouse-Heft finden Tick, Trick und

Track, die Neffen von Donald Duck, auf der Müllhalde

ein Exemplar von Hitlers Buch.

77

Die Frage, ob und

warum es dorthin gehört, kann in der historisch-politi-

schen Bildung ein Gesprächsanlass sein.

Eine andere Form der zeichnerischen Ausei-

nandersetzung bietet der Webcomic

hipster-

hitler,

der die Kritik an der veräußerlichten

Hipster-Kultur mit ironischen Bezugnah-

men auf das „Dritte Reich“ verbindet.

In coole T-Shirts gekleidet und mit einer

auffallenden Brille versehen, kommt Hitler

mit seinen Gefährten in immer neue Situatio-

nen, die ihn in wenig schmeichelhaftem Licht erscheinen

lassen. So erhält er von Goebbels eine Schreibmaschine,

mit der er

Mein Kampf

schreiben will, um dann wütend

festzustellen, dass die Schrifttype Arial ist und nicht, wie

auf Hitlers T-Shirt gewünscht, heilvetica [!].

78

In einer ani-

mierten Sequenz räsonieren Hitler und Goebbels darüber,

wie der stagnierende Absatz von

Mein Kampf

gefördert

werden könnte. Hitler schlägt dem zusehends verzweifel-

ten Goebbels vor, auf soziale Randgruppen wie Behinderte

und Schwarze zu setzen. Diese Formen der Auseinander-

75

https://www.youtube.com/watch?v=bn20oXFrxxg

[Stand: 30.06.2016].

76

https://www.youtube.com/watch?v=l14WDZCnz-w

[Stand: 30.06.2016].

Für den Hinweis danke ich Michael Hierl.

77 Vgl. den SPIEGEL-Artikel:

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/comics-

mein-kampf-in-entenhausen-a-349192.html [Stand: 30.06.2016].

78 Vgl.

http://hipsterhitler.com/comics/typewriter/

[Stand: 30.06.2016].

setzung führen zu der grundsätzlichen Frage, ob man über

Hitler lachen dürfe. Angesichts dessen, dass dies auf viel-

fältige Weise in der Geschichtskultur geschieht, bietet es

sich an, diese Frage im Unterricht zu thematisieren: „hips-

terhitler“ kann hier als Diskussionsanlass genutzt werden.

Auch die Lesung von Helmut Qualtinger ist im Hin-

blick auf die Idee, die Textauswahl und die schauspieleri-

sche Gestaltung zu den künstlerischen Gestaltungen zu

rechnen,

79

erst recht die ausführliche Kommentierung und

kabarettistische Darstellung durch Serdar Somuncu.

80

So

beginnt er sein Programm mit drei provokativen Fragen

(„Darf man über dieses Buch, Adolf Hitlers Buch

Mein

Kampf

, lachen? Darf man am Ende der Lesung klatschen?

Darf man und kann man zwischendurch ein Nickerchen

halten?“), die er vorab beantwortet und die sich auch für

einen Einstieg in die historisch-politische Bildungsarbeit

eignen. Die Antworten Somuncus können dann im Unter-

richt vorgespielt werden. 

81

Aufschlussreich sind auch die Erfahrungen des Schau-

spielers und Kabarettisten, die er während seiner Auftritte

gesammelt hat, eröffnen sie doch interessante Einblicke in

die bundesrepublikanische Geschichtskultur.

82

Einen anderen Ansatzpunkt wählte George

Tabori in seinem Drama

Mein Kampf

. Gezeigt

wird die Wandlung Adolf Hitlers vom unta-

lentierten Maler zum antisemitischen Politi-

ker. In seinen Wiener Jahren schließt Hitler

Freundschaft mit dem Juden Shlomo Herzl,

der zu seiner einzigen Bezugsperson, ja zu sei-

nemMentor wird. Dieser überlässt ihm sogar den

Titel seines Romans:

Mein Kampf

. In grotesker Übersprit-

zung wird die Wandlung zum künftigen „Führer“ darge-

stellt, die pikanterweise auf die zwischenmenschliche Für-

sorge eines Juden zurückgeführt wird. Die Farce versucht

das Unerklärliche dramatisch darstellbar zu machen.

83

Auf Taboris Vorlage aufbauend, zeigt der gleichnamige

Film aus dem Jahr 2011 Hitlers frühe Wiener Jahre. Unter

der Regie von Urs Odermatt spielen Tom Schilling und

79 Vgl. Adolf Hitler.

Mein Kampf

. Eine Lesung von Helmut Qualtinger, 2 CDs,

Wien 1973.

80 Vgl. Serdar Somuncu liest aus dem Tagebuch eines Massenmörders –

Mein Kampf, CD, Köln 2000.

81

https://www.youtube.com/watch?v=qfsmOxkf9AA&nohtml5=False

[Stand: 30.06.2016].

82 Serdar Somuncu: Nachlass eines Massenmörders. Auf Lesereise mit „Mein

Kampf“, Bergisch-Gladbach 2002; vgl. a. ders.: Der Adolf in mir – Die Karriere

einer verbotenen Idee, Köln 2015.

83 Vgl. George Tabori: Mein Kampf. Farce, Berlin 1988.

Quellentipp 1:

Disney-Film

„Der Fuehrer’s Face“

(1943)

Quellentipp 2:

Webcomic

hipsterhitler

Quellentipp 3:

George Tabori,

„Mein Kampf“