16
Einsichten und Perspektiven 3 | 17
als Sieger hervor. Damit war der Krieg entschieden. Unter
Vermittlung der USA wurde im September 1905 Frieden
geschlossen. Russland musste Japans Vorherrschaft über
Korea anerkennen, die Mandschurei räumen, die Pacht-
rechte in Port Arthur und die Südhälfte Sachalins an Japan
abtreten.
Der Russisch-Japanische Krieg war alles andere als
klein gewesen. Er wurde mit den damals modernsten
militärischen Mitteln ausgefochten und trieb beide kriegs-
führenden Staaten fast in den Bankrott. Der Triumph
der Japaner stellte einen Meilenstein auf dem Weg zum
erwachenden Selbstbewusstsein der asiatischen Völker dar.
Erstmals in der neueren Geschichte hatte ein asiatisches
Land eine europäische Großmacht im Krieg vernichtend
geschlagen. Verblendet von Arroganz und Hochmut hat-
ten die russischen Militärs und Politiker die Stärke Japans
offensichtlich unterschätzt. Das imperialistische Kriegs-
abenteuer endete darum für Petersburg in einem demü-
tigenden Debakel, das den Großmachtstatus Russlands
schwer beschädigte.
9
Die Revolution von 1905: Das Vorbeben
Die Schockwellen der Kriegsblamage trafen das poli-
tische und gesellschaftliche Gefüge des Zarenreichs ins
Mark. „Niemals war ein Krieg derart unpopulär“, erin-
nerte sich später der in Petersburg weilende französische
Botschafter Maurice Bompard. „Die Leute verstanden
weder seine Ursachen noch seine Ziele […]. Die Bevöl-
kerung, die der Armee mehr als eine Million ihrer Söhne
geben musste, fiel bald in eine tiefe Depression angesichts
dieses unerklärlichen Krieges, umso mehr als der Zar
nicht im Stande war, die Notwendigkeit dieser Opfer zu
erklären.“
10
Wie von Pleve hatte auch Lenin, der damals schon zur
Führung der radikalen Fraktion der russischen Sozial-
demokraten, der sogenannten Bolschewiki, gehörte, im
Krieg eine politische Chance gesehen, allerdings unter
völlig anderen Vorzeichen. Im Unterschied zu den Ver-
fechtern eines sozialistischen Pazifismus plädierte Lenin
für die revolutionäre Qualität des Kriegs. Er sprach sich
öffentlich sogar für einen Sieg der Japaner aus, weil er sich
davon einen entscheidenden Schlag gegen den reaktionä-
9 Anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegs sind mehrere neuere Studien
entstanden. Einen guten Überblick darüber gibt Gerhard Krebs: World
War Zero oder der Nullte Weltkrieg? Neuere Literatur zum Russisch-Ja-
panischen Krieg 1904/05, in: Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens 78 (2008), S. 187-248.
10 Zit. n. Wolfgang Zank: Japans Triumph, Russland Debakel, in: Die Zeit, 7
(2004)
(http://www.zeit.de/2004/07/A-Japan[Stand: 06.09.2017]).
europäischen Imperialismus und nutzte die fortgesetzte
politische Lähmung Chinas, um 1895 in das Nachbar-
land Korea vorzudringen. Mit diesem Sprung auf den
asiatischen Kontinent stieg Japan für Russland im Fernen
Osten zu einem ernsthaften imperialen Rivalen auf.
8
Nachdem auf beiden Seiten Militärs und Politiker
zunehmend auf einen Waffengang gedrängt hatten,
schlugen die japanischen Truppen im Februar 1904 los.
Nach fünfmonatiger Belagerung eroberten sie die wich-
tige, von Russland gepachtete Hafenstadt Port Arthur an
der Südspitze der chinesischen Halbinsel Liaodong. Im
März 1905 erlitt die russische Armee in der Mandschu-
rei sodann eine vernichtende Niederlage; zugleich ging
die japanische Kriegsflotte aus den blutigen Seegefechten
8 Peter Duus: The Abacus and the Sword. The Japanese Penetration of Ko-
rea, 1895-1910, Berkeley 1995; Richard Connaughton: Rising Sun and
Tumbling Bear: Russia‘s War With Japan, Cassel 2003; Christian Ober-
länder: Von den Ungleichen Verträgen zur Großmacht. Japans Weg zum
modernen Nationalstaat, in: Josef Kreiner (Hg.): Kleine Geschichte Japans,
Stuttgart 2010, S. 262-331; Reinhard Zöllner, Geschichte Japans: Von
1800 bis zur Gegenwart, Paderborn
3
2013, S. 181-308.
Der Russische Revolutionszyklus, 1905-1932
Der russische Schriftsteller Fedor Dostoevskij (1821-1881)
Foto: ullstein bild/Imagno