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Über die gesellschaftliche Bedeutung des Amateurfußballs

Einsichten und Perspektiven 1 | 17

verholfen habe.

29

Fußballvereine leisten aber nicht nur

einen Beitrag zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlin-

gen, sondern selbstredend zu deren sozialer Integration

im Allgemeinen: Im Vereinsumfeld kommen sie mit den

Funktionsprinzipien, Normen und Werten der aufneh-

menden Gesellschaft in Berührung.

30

Zudem werden den

Neuankömmlingen ehrenamtlich Hilfsleistungen ange-

boten, die ihnen den Start in das Leben in Deutschland

erleichtern: „Wir haben den Leuten bei Behördengängen

geholfen, haben Sprachkurse ermöglicht, die ersten Fuß-

ballschuhe gekauft“,

31

listet Dirk Ewert beispielhaft auf.

Gerade Sprachkompetenzen werden häufig im Vereins-

umfeld vermittelt – und das hat Vorteile, denn „es macht

einfach einen Unterschied, ob man in der Schule sitzt

oder mit den Mitspielern im Verein Deutsch lernt“, wird

Maximilian Roeren, der beim TSC Eintracht Dortmund

das Projekt „Willkommen im Fußball“ koordiniert, an

anderer Stelle in der DFB-Broschüre zitiert.

Doch nicht nur als „Sprachschulen“, sondern auch als

„Schulen der Demokratie“ wirken Amateurfußballvereine

mithin.

32

Schließlich gehört es dort für viele zum Ver-

einsalltag, sich mit den Interessen und Ansichten ande-

29 Vgl. Söhnke Vosgerau: Im Fußball zu Hause! Flüchtlinge im Fußballverein

(Informationsbroschüre), Berlin 2016, S. 30.

30 Vgl. Sebastian Braun: Freiwillige Vereinigungen als Produzenten von Sozi-

alkapital?, in: Verbandsmanagement – Fachzeitschrift für Verbands- und

Nonprofit-Management (2003), H. 29 (1), S. 28–37, hier S. 29.

31 Vosgerau (wie Anm. 29), S. 30.

32 Vgl. Madlen Preuß: Demokratische Kulturen in Sportvereinen, Bielefeld

2015, S. 8.

rer Mitglieder auseinanderzusetzen, Mehrheiten für die

eigene Meinung zu finden und sich an vereinsbezogenen

demokratischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Allerdings nehmen an den konkreten demokratischen Pro-

zessen, zum Beispiel an der Wahl des Vorstandes, erfah-

rungsgemäß nicht alle Mitglieder teil.

Werden in Amateurfußballvereinen klassische

Geschlechterrollen konserviert?

Ob die in Amateurfußballvereinen erbrachten Integrations-

und Sozialisationsleistungen auch die Vermittlung bestimm-

ter Frauenbilder beinhalten, dazu gibt es nur wenige wissen-

schaftliche Befunde. Fakt jedoch ist, dass heute wesentlich

mehr Mädchen und Frauen in Amateurfußballvereinen

aktiv sind als noch vor einigen Jahren: Zwischen 2000

und 2011 ist beispielsweise die Zahl der weiblichen DFB-

Mitglieder – die Mitgliedschaft erfolgt automatisch mit der

Anmeldung bei einem der verbandsmäßig organisierten

Fußballvereine – um 19 Prozent bei den Frauen und um

64 Prozent bei den Mädchen bis 16 Jahren gestiegen.

33

Frauen dringen demnach immer stärker in die Männer-

domäne Fußball ein.

34

Dennoch bleibt „der Fußballplatz

[…] noch immer ein RaumhegemonialerMännlichkeit“.

35

Ob also in den abgeschlossenen Kommunikationsräumen

von Männerfußballmannschaften (z.B. in der Kabine oder

im Vereinsheim) Frauen stets eine politisch korrekte Ach-

tung entgegengebracht wird, darf in Frage gestellt werden.

Ein extremes Beispiel für die abwertende Haltung

gegenüber Frauen in diesem Umfeld ging kürzlich in den

USA durch die Medien: Ende 2016 wurde aufgedeckt,

dass Mitglieder des Männerfußballteams der Eliteuniver-

sität Harvard regelmäßig einen sogenannten Scoutingre-

port über die Neuzugänge im Frauenfußballteam der Uni

angefertigt und mannschaftsintern verschickt hatten. Das

Dokument enthielt Fotos der Frauen, die ihren Facebook-

Profilen entnommen waren; dazu Einschätzungen ihrer

vermeintlichen sexuellen Vorlieben und Bewertungen

ihres Aussehens. Nachdem der Fall publik wurde, meldete

33 Vgl. Ulf Gebken/Söhnke Vosgerau: Teilhabe, Empowerment, Anerken-

nung – Hintergrund, Ziele und Konzept des Praxisforschungsprojekts

Fußball ohne Abseits, in: Fußball ohne Abseits, hg. v. Ulf Gebken/Söhnke

Vosgerau, Wiesbaden 2014, S. 27–66, hier S. 41, Fußnote.

34 Vgl. Christine Kampmann: Fußballerinnen — Frauen in einer Männerdomä-

ne, in: Fußball und der die das Andere, hg. v. Alexandra de Hek/Christine

Kampmann/Marianne Kosmann/Harald Rüßler, Freiburg 2011, S. 10–67.

35 Ulf Gebken/Söhnke Vosgerau: Teilhabe, Empowerment, Anerkennung –

Hintergrund, Ziele und Konzept des Praxisforschungsprojekts Fußball

ohne Abseits, in: Fußball ohne Abseits, hg. v. Ulf Gebken/Söhnke Vosgerau,

Wiesbaden 2014, S. 27–66, hier S. 41.

Foto: Tim Frohwein