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Über die gesellschaftliche Bedeutung des Amateurfußballs

Einsichten und Perspektiven 1 | 17

fen. Und spätestens, als der DFB lauthals in die Kriegsbe-

geisterung vor dem Ersten Weltkrieg einstimmte, waren

die letzten Zweifler überzeugt.

5

Auch nach dem verlorenen Weltkrieg blieb der DFB

der deutschnationalen Linie mehr oder weniger treu:

Viele DFB-Funktionäre standen der Weimarer Republik

kritisch gegenüber und wollten den Fußball dazu nutzen,

um „Nationalstaat und Leibesspiel in einen innerlichen

und unzerstörbaren Zusammenhang zu bringen“,

6

wie es

das DFB-Jugendausschussmitglied Dr. Josef Klein 1924

in einem seinerzeit vielbeachteten Aufsatz formulierte.

Klein saß einige Jahre später für die NSDAP im Reichstag.

Abseits politischer Instrumentalisierungsversuche ent-

wickelte sich der Fußball in der Weimarer Republik im All-

gemeinen prächtig, so dass man im Deutschland des Jahres

1931 nahezu zehnmal so viele aktive Fußballer zählte wie

noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs.

7

Hinzu kam ein

enormes Zuschauerinteresse, wovon natürlich vor allem

die sportlich erfolgreichen Spitzenvereine profitierten, die

sich mithin auch über wachsende Einnahmen freuen durf-

ten. Einer dieser Vereine war der FC Bayern München,

der sich in der Periode der Weimarer Republik zweimal

die Süddeutsche Meisterschaft (1926 und 1928) und ein-

mal die Deutsche Meisterschaft (1932) sicherte. Als Ver-

einspräsident zeichnete damals Kurt Landauer, Sohn eines

jüdischen Kaufmanns aus München, für diese Erfolge

mitverantwortlich. Auch der Meistertrainer von 1932, der

Österreicher Richard Kohn, war jüdischen Glaubens. Und

da in der „Hauptstadt der Bewegung“ nationalistisches

und antisemitisches Gedankengut weit verbreitet war, haf-

tete dem FC Bayern schon bald der Ruf als reicher „Juden-

club“ an.

8

Auch Anhänger des Lokalrivalen TSV 1860

München, die neidvoll auf die Erfolge des Konkurrenten

blickten, beteiligten sich seinerzeit an der antisemitischen

Stimmungsmache. Überhaupt sagt man den „Löwen“,

die nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 sofort

gleichgeschaltet wurden, in der historischen Rückbetrach-

tung eine vergleichsweise größere Nähe zu den nationalisti-

schen Bewegungen der Weimarer Republik nach, weshalb

der Verein schließlich im „Dritten Reich“ neben Werder

5 Vgl. Arthur Heinrich: Ideologisch anfällig: Der DFB vor 1933, in: Blätter für

deutsche und internationale Politik (2006), H. 6, S. 742–754, hier S. 744.

6 Josef Klein: Die drei scharfen T des WSV, in: Fußball und Leichtathletik

(1924), H. 1, S. 4–6, hier S. 4.

7 Vgl. Per Leo: „Bremsklötze des Fortschritts“. Krisendiskurse und Dezisio-

nismus im deutschen Verbandsfußball 1919-1934, in: Die „Krise“ der Wei-

marer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters hg. v. Moritz Föllmer/

Rüdiger Graf, Frankfurt a.M. 2005, S. 107–138, hier S. 115.

8 Vgl. Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Sports, Bonn 2012, S. 352.

Bremen, dem VfB Stuttgart und dem FC Schalke 04 auch

als nationalistischer Vorzeigeclub galt.

9

1933 kam es allerdings nicht nur zur Gleichschaltung

von Fußballvereinen, auch der DFB als Fußballdachver-

band wurde entsprechend auf Linie gebracht. Laut Bitzer/

Wilting ging dies damals relativ problemlos über die Bühne,

da imDFB schon in den 1920er Jahren nationalistische und

demokratiefeindliche Denkweisen – in diesem Zusammen-

hang sei auch nochmal an den weiter oben erwähnten Dr.

Josef Klein erinnert – weit verbreitet waren.

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An anderer

Stelle teilt man diese Auffassung in der Literatur allerdings

nicht. So gibt beispielsweise Havemann zu bedenken, dass

„die führenden Funktionäre des DFB bis Anfang 1933

einempolitischen Spektrum zuzuordnen waren, das teilweise

in scharfem Gegensatz zur NSDAP stand. […] Von einer

einseitig nationalkonservativen oder nationalsozialistischen

Ausrichtung des DFB […] kann also weder in programma-

tischer noch in personeller Hinsicht die Rede sein.“ 

11

Ähnlich uneinig sind sich Historiker in der Frage, welche

Rolle der DFB im „Dritten Reich“ gespielt hat.

12

Unstrittig

ist, dass der mächtige Verband, der nach der „Machtergrei-

fung“ in das „Fachamt Fußball“ umgetauft wurde, sich sei-

nerzeit nicht vernehmbar gegen das NS-Regime gestellt hat

und es deshalb in der Folge, ähnlich wie in anderen gesell-

schaftlichen Teilbereichen in Deutschland, auch im Fußball

zur Ausgrenzung und Diskriminierung jüdischer Mitmen-

schen gekommen ist.

13

Die Spiele der deutschen National-

mannschaft hingegen wurden alsbald von der NS-Füh-

rungsriege als Inszenierungsgelegenheiten erkannt, weshalb

der Fußball unter Hitler auch durchaus gefördert wurde.

Spätestens, als die Nationalelf allerdings bei den Olympi-

schen Spielen 1936 enttäuschender Weise schon nach dem

zweiten Spiel aus dem Turnier ausschied, kam es nun aber

zum Bruch zwischen DFB und NS-Regime: Es folgte eine

„zweite Gleichschaltung“ des Verbandes, in deren Zuge

unter anderem altgediente Funktionäre durch wenig sach-

verständige Parteigetreue ersetzt wurden.

14

1940 schließlich

wurde der DFB von den Nationalsozialisten sogar formal

9 Vgl. Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport,

Politik und Kommerz, Frankfurt am Main 2005, S. 213–225.

10 Vgl. Bitzer/Wilting (wie Anm. 4), S. 27.

11 Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz, in: Aus Politik und Zeitge-

schichte (2006), H. 19, S. 33–38, hier S. 36.

12 Hier findet sich ein Überblick über die Literatur zum Thema: Felix Müller:

Der Deutsche Fußball-Bund im Nationalsozialismus. Ein Literaturbericht,

in: Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge (2008), H. 49, S. 147–165.

13 Vgl. Havemann (wie Anm. 11), S. 37.

14 Vgl. Havemann (wie Anm. 9), S. 190–195.