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Der Kampf ums Weiße Haus
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
nicht reaktionär. Als Botschafterin bei den Vereinten
Nationen, in den USA ein Posten von Kabinettsrang,
hat sie die Möglichkeit, außenpolitische Erfahrung zu
gewinnen und sich für noch bedeutendere Aufgaben
ins Gespräch zu bringen. Interessant ist auch, dass sie
als erste Vertreterin der neuen Regierung die russische
Rolle in der Ostukraine scharf kritisierte und eben
keine
Lockerung von Sanktionen in Aussicht stellte.
Genau diese Position scheint sich gerade zu verfestigen.
Ihre Bestätigung durch den Senat war mit 96:4 Stim-
men eine der unstrittigsten.
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David Shulkin (Veteranenangelegenheiten):
Trump
kann sogar Konsens. Shulkin, bereits unter Obama
Staatssekretär für Gesundheit im Ministerium für Vete-
ranenangelegenheiten, wurde vom Senat nun einstim-
mig als Minister bestätigt. Das Veteranenministerium ist
vor allem mit der Gesundheitsversorgung der Millionen
Veteranen in den USA betraut. Es hat einen riesigen Etat
und riesige Probleme, denn viele Veteranen klagen über
lange Wartezeiten bei der Versorgung. Offensichtlich
waren sich Trump, die Republikaner und die Demokra-
ten einig, dass der erfahrene Arzt und Klinikleiter die
besten Chancen hat, die Lage zu verbessern.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Trumps Kabinett und
innerer Zirkel alle Eigenheiten und Seltsamkeiten der ame-
rikanischen Bundespolitik widerspiegelt, aber in bisher nie
da gewesenem Ausmaß. Generäle, Bosse, stramme Ideo-
logen, moderate Pragmatiker, gescheiterte Nominierun-
gen, frühe Rücktritte: All das fand man auch in anderen
Regierungsmannschaften, aber nie in solcher Zahl und
Frequenz. Selbst die Rolle von Ivanka Trump und ihrem
Ehemann Jared Kushner als Berater des Präsidenten ist gar
nicht so ungewöhnlich: John F. Kennedy machte seinen
kleinen Bruder Robert ja sogar zum Justizminister. Wirk-
lich bizarr sind vor allem zwei Dinge: Erstens mutet das
Kabinett an wie aus den 1950er Jahren, es sind mit nur
sehr wenigen Ausnahmen alles weiße Männer. Zweitens
spukt mit Bannon eine Gestalt durchs Weiße Haus, die
sich weit außerhalb der Normen amerikanischer Politik
bewegt, mehr noch als sein Chef. Allerdings ist seine Macht
gänzlich davon abhängig, wie lange Trump auf ihn hört.
Achterbahn: Die Kontroversen der ersten Tage
Keine US-Regierung funktioniert perfekt, schon gar keine
frisch gebackene. Die Anfangsphase nahezu aller neuen
Regierungen ist holprig, weil sich Macht- und Kommuni-
kationsstrukturen erst noch herausbilden müssen und weil
die Bestätigung der Minister und wichtigen Behördenlei-
ter durch den Senat oft quälend langsam vonstatten geht.
Auch Macht- und Hahnenkämpfe innerhalb des Weißen
Hauses und zwischen dem Weißen Haus und Ministerien
sind durchaus normal, man fand sie auch bei Clinton,
Bush und Obama. Doch bei Trump ist eben alles eine
Nummer größer, auch die Startschwierigkeiten, bei denen
der Rücktritt von Flynn nur die Spitze des Eisberges ist.
In den ersten Wochen schien es, als wolle Trump seine
gesamten rechtspopulistischen Versprechen in die Tat
umsetzen, nur ohne recht zu wissen, wie man das anstellen
soll. Andererseits entwickelte sich manches auch anders
als erwartet. Im Folgenden soll am Beispiel der Einwan-
derungs- und Russlandpolitik das Auf und Ab der ersten
Regierungswochen aufgezeigt werden.
Einwanderung und Einreisestopp
Im Wahlkampf war Trump mit markigen Sprüchen zum
Thema Einwanderung und Grenzschutz angetreten. Er
kündigte an, alle illegalen Einwanderer zu deportieren,
eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze zu bauen
und Muslime zumindest zeitweilig von der Einreise in
die USA auszuschließen. Die Frage beim Amtsantritt war
dann, ob das Getöse war oder der Präsident es ernst meint.
Mittlerweile deuten viele Signale darauf hin, dass die Poli-
tik der dichten Grenzen tatsächlich auf der Agenda der
neuen US-Regierung steht, auch wenn die Umsetzung
bislang wenig Erfolg hatte.
Foto: dpa-infografik