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Der Kampf ums Weiße Haus
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
Der Kampf um das Weiße Haus ist vorbei. Am 20. Januar legte Donald Trump
den Amtseid als 45. Präsident der USA ab. Er ist nicht nur der älteste frisch
gebackene Präsident der US-Geschichte, sondern auch der umstrittenste
Amtsinhaber der jüngeren Vergangenheit. Der Wahlkampf war eine Schlamm-
schlacht, in der Trump viele Menschen in den USA und der ganzen Welt mit
seinen rechtspopulistischen Sprüchen und Forderungen vor den Kopf stieß.
Dennoch gelang ihm ein knapper Wahlsieg. Zwar holte
Hillary Clinton fast drei Millionen Stimmen mehr als
Trump, doch dieser gewann eine Mehrheit in genügend
Staaten, um sich einen komfortablen Sieg im
electoral
college
zu sichern, dem Wahlmännerkollegium, das die
eigentliche Präsidentschaftswahl vornimmt. Bei seinen
Gegnern gilt er daher als Präsident mit zweifelhafter Legi-
timität, doch Trump ist beileibe nicht der erste Präsident
ohne landesweite Mehrheit – die US-Verfassung ermög-
licht eine solche Konstellation nun mal.
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Gegenwärtig ist die große Frage: Wie viel von seiner kon
troversen, rechtspopulistischen Rhetorik wirdTrump in kon-
krete Politik umsetzen und welche Hindernisse stehen ihm
dabei im Weg? Dieser Artikel untersucht Trumps Amtsan-
tritt, sein Kabinett und inneren Zirkel von Beratern sowie die
heftigen Kontroversen seines ersten Monats im Amt. Eines
ist bereits jetzt sicher: Trumps Präsidentschaft wird nicht als
Epoche der Langeweile in die US-Geschichte eingehen.
American Carnage:
Trumps düstere Vision
Die Amtsantrittsreden amerikanischer Präsidenten sind
normalerweise eine Mischung aus Ruf zur Einheit, optimis-
tischer Inspiration und politischer Vision. Oft versuchen
die Redner die Wunden des Wahlkampfes zu heilen. Man-
che Ansprachen sind zu Recht in die Geschichte eingegan-
gen, so z.B. Franklin Roosevelts Mutmacher von 1933, „das
Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst“,
oder John F. Kennedys berühmter Aufruf „fragt nicht, was
euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land
tun könnt.“ Trumps Amtsantrittsrede wird hingegen vor
allem für eine Redewendung in der Erinnerung bleiben:
„American Carnage“
– „Amerikanisches Gemetzel“.
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1 Das
electoral college
und seine Besonderheiten werden im ersten Artikel
dieser Serie erläutert: Markus Hünemörder: Der Kampf ums Weiße Haus
2016 – Folge 1: Wahlsystem, Parteien und Hintergründe, in: Einsichten
und Perspektiven 2/16 (2016), S. 44–53.
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Trumps Rede im Volltext mit Anmerkungen der Redaktion der New York Times findet sich hier: https://nyti.ms/2jRs6fE, [Stand: 21.02.2017].Einige Aspekte von Trumps Rede waren durchaus lobens-
wert. Sie war erfrischend kurz, Trump bedankte sich artig
bei den Obamas für ihre Hilfe bei der Amtsübergabe, er
betonte die historische Bedeutung des friedlichen Macht-
wechsels. Auch sonst hatte die Rede viele konventionelle
Aspekte: Der Präsident sprach von Herausforderungen,
die es zu überwinden gilt, appellierte an die Einheit der
Nation und versprach, die Belange amerikanischer Fami-
lien ins Zentrum zu stellen – so weit, so austauschbar.
Doch im Kern zeichnete Trumps Rede eine düstere
Vision Amerikas. Er sprach vom „amerikanischen Gemet-
zel“ – von Frauen und Kindern, die in Armut gefangen
seien, von verrosteten Fabriken, „wie Grabsteine“ über die
Landschaft verstreut, von einem versagenden Bildungssys-
tem und von grassierender Drogen- und Bandenkrimina-
lität. Nicht einmal Franklin Roosevelt zeichnete mitten
in der schwersten Wirtschaftskrise der amerikanischen
Geschichte ein solch finsteres Bild, einen solchen ameri-
kanischen Alptraum.
Schuld sind für Trump – und hier übernimmt seine
Rede eins zu eins den Tenor seines populistischen Wahl-
kampfs – die korrupten Eliten in Washington, die ihre
eigenen Interessen über die Bedürfnisse der „vergessenen
Amerikaner“ stellten und es zuließen, dass Arbeitsplätze
aus den USA ins Ausland verlegt werden. Washington
hätte die Streitkräfte anderer Länder alimentiert und die
eigenen „ausgelaugt“, die Grenzen und die Infrastruktur
des Landes vernachlässigt. Trumps Gegenrezept:
„America
First“
– „Amerika zuerst“ also, in der Wirtschaft, in der
Außenpolitik, immer und überall.
Nun haben die USA zweifelsohne viele Probleme und in
der Tat waren es vor allem jene, die sich von Wirtschafts-
entwicklung und Politik abgehängt sehen, die Trump zum
Sieg verhalfen. Dennoch übernimmt dieser eben nicht wie
Roosevelt ein Land in den Tiefen der Weltwirtschaftskrise
oder wie Obama eine Ökonomie im freien Fall. Er erbt
von seinem Vorgänger eine US-Wirtschaft, die sich nach
vielen Jahren endlich aus den Niederungen der Rezession
herausgekämpft hat, auch wenn der Aufschwung ungleich