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Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Frankreich und Spanien im Gebiet von Marokko um die
Vorherrschaft. Spanien sah in dem Stützpunkt einen stra-
tegischen Vorteil, den es zu verteidigen galt. Seit der Grün-
dung Marokkos im Jahre 1956 wird von marokkanischen
Politikern und Regierungsvertretern regelmäßig die Rück-
gabe Melillas gefordert. Jedoch ohne Erfolg. Eine Mehr-
heit der Spanier befürwortet auch heute noch den Status
Melillas als spanisches Gebiet. Auch die große Mehrheit
der Einwohner Melillas fühlt sich europäisch und will auf
keinen Fall zu Marokko. 
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Auch wenn längst 50 Prozent
der Bevölkerung in Melilla Muslime marokkanischer Her-
kunft sind und nur ihr Pass sie zu Spaniern macht. Die
Zugehörigkeit Melillas zum Königreich Spanien ist für
viele Spanier so etwas wie eine Ehrensache. 
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So wird das für
viele kurios und absurd anmutende Überbleibsel der kolo-
nialen Ära wohl auf lange Sicht bestehen bleiben. Zurück
bleiben heute die vielen Probleme mit den Flüchtlings-
strömen und die historische Bausubstanz in der Altstadt,
der ringsum befestigte Altstadthügel „Medina Sidona“, in
früheren Jahrhunderten zum Schutz vor Invasoren erbaut.
Unweigerlich kann einem der Gedanke kommen, dass
diese Stadt seit ihrer Gründung die Abwehr der „Andern“
als Wesensmerkmal hat. Damals mit Mauern aus Stein,
heute mit Zäunen und NATO-Stacheldraht.
Melilla – europäische Exklave in Afrika
Wenn man auf der breiten und sauberen Strandprome-
nade flaniert, gibt es nur kleine Zeichen, dass es sich um
keine normale Stadt handelt. Da sich dort rund 84.000
Menschen auf nicht mal 14 Quadratkilometern drängen, 
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ist in den Bars und den Geschäften auch viel los. Den-
noch wirkt die Stadt zunächst wie ein typisches Städtchen
im Süden Spaniens. Tapas-Bars, Cafés, Plätze mit kleinen
Brunnen, die nach gechlortemWasser riechen. Am Strand
sonnen sich ein paar Sonnenhungrige. Einheimische,
Spanier, andere Europäer, aber nur Wenige. Der breite
Strand und die lange Promenade im rötlichen Stein wir-
ken seltsam überdimensioniert für so wenige Menschen.
Für mich, der aus den im Hochsommer überfüllten Kul-
turstädten Malaga, Barcelona und Madrid kam, ein seltsa-
mes Gefühl. In der Tat zieht Melilla insgesamt nicht sehr
viele Touristen an, obwohl von spanischer Seite für den
Besuch durchaus geworben wird. Von der offiziellen Tou-
rismusbehörde wird eine „offene Stadt, Bindeglied zweier
Kontinente“ beworben. 
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Ich fühlte mich wie in einem
Museum. Ein Stück Europa außerhalb des Kontinents.
Von Afrika noch nichts zu spüren.
Trotz aller Widerstände schaffen es immer wieder Flüchtlinge über meter­
hohe Zäune.
Foto: ullstein bild/Reuters/Stringer/Spain
Auf demWeg an die Grenze der Zivilisation
Dann fielen mir die vielen Polizisten in der Stadt auf.
Die Stadt hat ein Kriminalitätsproblem. Drogen- und
Schwarzmarkthandel blühen am Hafen. Unter anderem
auch deswegen, weil die örtliche Polizei stark mit der
Abwehr von Flüchtlingen beschäftigt ist, so Politikexper-
ten. 
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Tatsächlich liegt aufgrund der besonderen Situation
viel im Argen: Mit dem Bus fuhr ich in zehn Minuten zur
spanisch-marokkanischen Grenze. Je weiter ich mich vom
Zentrum entfernte, desto auffälliger wurden der Schmutz,
die nicht fertig gebauten Häuser und die kaputten Stra-
ßen. Und trotzdem: Alles wirkte immer noch europäisch,
spanisch, mediterran. Schlechtere Viertel gibt es ja in
vielen Städten. In der Nähe des Grenzübergangs mit sei-
nen beiden Fahnen des Königreichs Spanien und der EU
stehen immer noch typisch spanische Häuser. Dann aber
4 Vgl. „Chronik der Verstimmung: Das marokkanisch-spanische Verhältnis“
marokanisch-spanische-verhaeltnis [Stand: 06.07.2015].
5 Vgl. „Teurer Vorposten“, vgl.
nal/warum-die-spanier-an-ceuta-und-melilla-festhalten-teurer-vorposten-
seite-2/2564998-2.html [Stand: 06.07.2015].
6 Vgl.
Region=true&lang=de&mode=text&regionId=ES5&nuts2Code=ES52&nu
ts3Code=null&catId=9401 [Stand: 22.10.2014].
7
-
autonomas/melilla.html [Stand: 22.10.2014].
8 Vgl. Handelsblatt.com (wie Anm. 5).
1...,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74 76,77,78,79,80
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