Einsichten und Perspektiven 2|15 - page 36

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Kloane Lüfterl und echte Orkanböen
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Man kann den Leuten nicht vorwerfen, dass sie sich nicht
informieren, imGegenteil: Die Menschheit ist besser denn
je darüber informiert, was in der Welt passiert. Manchmal
erleben wir ja einen regelrechten „Informationsoverkill“.
Aber die Details kennen „normale Leute“ halt oft nicht
so. Umso wichtiger ist es, dass komplett integre, starke
Menschen in politischen Positionen sitzen.
Landeszentrale:
Sehen Sie sich selbst auch also so etwas
wie eine politische Bildnerin? Immerhin haben Sie auch
Geschichte studiert.
Kinseher:
Ja, den Nockherberg sehe ich als großen Bil-
dungsauftrag. Er ist eine unterhaltsame Geschichte, bei
der man bis in die Familien hinein Politik vermitteln
kann. Die Kinder schauen mit den Eltern die Predigt und
das Singspiel und kennen dann den Horst Seehofer.
Landeszentrale:
Wenn Sie einen Tag bayerische Minister-
präsidentin wären, welche Sofortmaßnahmen würden Sie
einleiten?
Kinseher:
Ich weiß nicht, ob ein Tag für eine Sofortmaß-
nahme in der Staatskanzlei reicht. Ich könnte am ehesten
mich selbst abschaffen … [lacht]
Die Bavaria bei der Fastenpredigt 2015
Foto: SZ Photo/Fotograf: Robert Haas
Landeszentrale:
… auf diese Idee ist sicher noch kein Minister­
präsident gekommen…
Kinseher:
… und das macht wahrscheinlich auch keinen
Sinn…Der Rest ist in einemTag nicht zu bewerkstelligen…
Landeszentrale:
Sie stammen aus Geiselhöring (Landkreis
Straubing/Bogen). Wie viele Einwohner hat der Ort heute?
Kinseher:
Ungefähr 6.000.
Landeszentrale:
Sind Sie genuine Geiselhöringerin oder zua-
zogn?
Kinseher:
Ich bin da aufgewachsen.
Landeszentrale:
Wir fragen deshalb, weil Integration in der
politischen Bildung ein großes und wichtiges Thema ist – und
da geht es auch häufig um die Unterschiede Stadt – Land.
Ist die Integrationsdebatte in Geiselhöring angekommen?
Kinseher:
Klar! Ich selber komme auch aus einer Flücht-
lingsfamilie; mein Vater ist zwar geborener Geiselhö-
ringer – aber meine Mutter stammt aus Krumau [heute:
Český Krumlov, d.Red.]. Ihr Vater ist im Krieg ist gefal-
len und meine Großmutter musste mit ihr und meinem
Onkel die Heimat verlassen und sie sind nach Hainsbach
bei Geiselhöring gekommen. Bei der Unterbringung hat-
ten die Flüchtlinge entweder Glück oder Unglück. Meine
Großmutter hatte mit Sicherheit Unglück. Ich habe von
ihr keine schönen Geschichten gehört. Man musste bei
den Bauern sowieso hart am Feld arbeiten, damit man we-
nigstens im Stall auf Stroh schlafen durfte.
Als meine Großmutter einmal gefragt hat, ob sie Milch
für die Kinder kriegen könnte, hat die Bäuerin gesagt:
„Na!“, und hat die Milch den Schweinen in den Trog
gekippt. Die Flüchtlinge sind damals nicht wegen ihrer
Sprache, Religion oder Kultur abgelehnt worden. Für die
Dorfbewohner waren das einfach Arme, die in der ma-
teriell ausgerichteten niederbayerischen Bauernwelt als
„Gschwerl“ betrachtet wurden.
Landeszentrale:
Wie verhält sich das mit heutigen Flücht-
lingen, die nach Geiselhöring kommen?
Kinseher:
Soweit ich weiß, gibt es eine Reihe christlicher
Syrer, die ganz regulär in Geiselhöring Häuser gekauft ha-
ben. Das sind also ganz normale Hausbesitzer, keine Flücht-
linge im eigentlichen Sinn. Wir haben viele Leerstände – in
den ländlichen Gegenden sterben die Ortskerne häufig aus.
Ende der 1990er Jahre ist Geiselhöring mal im Zusammen-
hang mit tamilischen Flüchtlingen in die Schlagzeilen ge-
kommen; da haben verschiedene Leute sogar mit Waffen
versucht, Tamilen am Aussteigen aus den Bussen zu hin-
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