Einsichten und Perspektiven 2|15 - page 32

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Islam in Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Muslime vor dem Freitagsgebet in der Freimanner Moschee
Foto: SZ Photo/Andreas Heddergott
Verband der islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ)
Vorläuferstrukturen des Verbands der islamischen Kultur-
zentren (VIKZ) existieren bereits seit den 1970er Jahren in
Köln, ab 1980 begann die deutschlandweite Ausbreitung
unter dem heutigen Namen. Heute sind in ihm ca. 300
Moschee- und Bildungsvereine zusammengeschlossen, was
zeigt, dass der VIKZ sich sowohl um den Glauben als auch
die Bildung seiner Mitglieder kümmert. 
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Diese Zielsetzungen haben ihre Ursprünge in dem isla-
mischen Gelehrten SüleymanHilmi Tunahan (1888–1959)
aus der Türkei. Er ist dem mystischen Islam (Sufismus)
zuzuordnen und sein Ziel war es, die religiöse Erziehung
und Bildung von Kindern und Jugendlichen und damit
ihre religiöse Identität auch unter der kemalistisch ver-
ordneten Säkularisierung der Türkei zu erhalten. 
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Seine
Anhänger sehen in ihm einen spirituellen Führer, des-
sen Lehren auch über seinen Tod hinaus Bestand für sie
haben. Ihr Wirken ist „im Rahmen der bestehenden poli-
tischen Verhältnisse […] auf eine allmähliche Rückkehr
des Islams in das öffentliche Leben der Türkei ausgerich-
tet“. 
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In Deutschland verfolgt der VIKZ ähnliche Ziele: Im
Rahmen religiöser, kultureller und erzieherischer Akti-
vitäten sollen die Mitglieder in der islamischen Lehre
unterwiesen werden, damit sie sich auch in der Diaspora
in Deutschland ihre islamischen kulturellen Werte erhal-
ten können. 
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Für den Dialog staatlicher Organisationen
mit diesem Verband ist deshalb wichtig, zu schauen, dass
die in den religiösen Zentren und Bildungseinrichtungen
vermittelten Werte mit den in Deutschland gelebten kon-
form sind und nicht den Rückzug aus dem demokrati-
schen Leben und pluralen Miteinander bedeuten.
Fazit
Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland
(KRM) deckt ein scheinbar breites Spektrum unterschied-
licher Glaubensrichtungen und ethnischer Gruppierungen
ab. Für den Anspruch, alle Muslime in Deutschland zu ver-
treten, ist dies auf den ersten Blick eine gute Voraussetzung.
Jedoch verwies die Studie „Muslimisches Leben in
Deutschland“ bereits im Jahr 2009 darauf, dass gerade
einmal zehn Prozent der befragten Muslime mit dem
Koordinierungsrat als Gremium etwas anfangen können 
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und sich gar nur 3,4 Prozent von ihm vertreten oder teils
vertreten fühlen. 
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Auch die einzelnen im KRM vertrete-
nen Dachverbände weisen nur Bekanntheitsgrade von 16
Prozent (IRD), 25 Prozent (VIKZ), 27 Prozent (ZMD)
sowie 44 Prozent (DİTİB) auf. 
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Noch geringer werden
diese Werte, wenn danach gefragt wird, ob sich die Mus-
lime in Deutschland insgesamt durch einen dieser Ver-
bände vertreten oder teilweise vertreten fühlen: DİTİB (27
Prozent), VIKZ (13,9 Prozent), ZMD (11,8 Prozent) und
IRD (8,8 Prozent). 
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Diese vier Verbände können somit
für sich genommen keinen Alleinvertretungsanspruch für
alle Muslime einfordern. Noch weniger können sie aber in
Form des Koordinierungsrates dieses Recht für sich einfor-
dern. Vielmehr zeigen die Zahlen, dass sich ihre Mitglieder
weiterhin ausschließlich von diesen vier Dachverbänden
vertreten fühlen, nicht aber von der diesen Dachverbänden
übergeordneten Instanz des Koordinierungsrats.
24 DIK: Die Verbände in der DIK, vgl.
/
[Stand: 01.06.2015].
25 Lemmen (wie Anm. 7), S. 51.
26 Ebd., S. 51–52.
27 VIKZ: Organisation, vgl.
[Stand: 02.06.2015].
28 Haug/Müssig (wie Anm. 2), S. 173.
29 Ebd., S. 179.
30 Ebd., S. 173.
31 Ebd., S. 179.
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