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Islam in Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland:
ein
Ansprechpartner für
alle
Muslime?
Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland
(KRM) wurde 2007 aus der Deutschen Islam Konferenz
(DIK) heraus von den vier größten muslimischen Dachver-
bänden in Deutschland – dem Zentralrat der Muslime in
Deutschland (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der
Anstalt für Religion (DİTİB), dem Islamrat für die Bun-
desrepublik Deutschland (IRD) und dem Verband der Isla-
mischen Kulturzentren (VIKZ) – gegründet. Die Deutsche
Islam Konferenz ist bislang – auf Bundesebene – die ein-
zige Plattform für den Dialog zwischen dem Staat und den
Muslimen in Deutschland, die es beiden Seiten ermöglicht,
sich über aktuelle Anliegen und Interessen auszutauschen
und gemeinsame Lösungswege zu finden. Die Gründung
des KRM aus diesem Gremium heraus muss dementspre-
chend als Versuch verstanden werden, einer fortwähren-
den Forderung staatlicher Akteure nach einem singulären
Ansprechpartner für diese muslimischen Strömungen
nachzukommen. Gäbe es diese zentrale Instanz, könnten
religiöse sowie – im Bedarfsfall – integrationspolitische
Angelegenheiten in Form von Staatsverträgen bundesweit
und einheitlich geregelt werden, so dass eine zusätzliche
Austauschplattform wie die Deutsche Islam Konferenz
nicht länger erforderlich wäre. Doch für wen spricht die-
ser Koordinierungsrat eigentlich? Welche – überwiegend
in eingetragenen Vereinen und nicht in Religionsgemein-
schaften – organisierten Muslime vereint der Koordinati-
onsrat unter seinem Dach? Kann er als repräsentativ für
alle Muslime in Deutschland gelten?
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland, gegründet
1994, vereint Muslime unterschiedlichster Wurzeln, dar-
unter deutsche, türkische, marokkanische, albanische, ira-
nische, afrikanische und bosnische, und versteht sich als
Vertretung von Schiiten und Sunniten gleichermaßen. 
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In seiner Ausrichtung und Mitgliedschaft vertritt er damit
ein relativ breites Spektrum an in Deutschland lebenden
Muslimen.
Hervorgegangen ist der ZMD aus dem sechs Jahre älte-
ren „Islamischen Arbeitskreis in Deutschland“, in dem
die größten muslimischen Verbände Deutschlands (dar-
unter auch DİTİB und VIKZ) ab Ende der 1980er Jahre
gemeinsame Positionen zum Islam ausdiskutierten und
gegenüber der Öffentlichkeit vertraten. Schon einmal gab
es somit Bestrebungen, mit einer Stimme für die Muslime
in Deutschland zu sprechen und ihren Anliegen gegen-
über der Politik Gewicht zu verleihen. Mit der Umwand-
lung des Arbeitskreises als „lose[m] Zusammenschluss
islamischer Organisationen“ 
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in den Zentralrat der Mus-
lime (ZMD) als alleinigen, zentralen Ansprechpartner für
die Muslime beharrte die DİTİB 1994 jedoch auf ihrer
Eigenständigkeit und trat dem neuen Gremium nicht
bei. 
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Im Jahr 2000 kündigte auch die ebenfalls mitglie-
derstarke VIKZ die weitere Zusammenarbeit auf und trat
aus dem Zentralrat aus. 
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Die Einheitsbestrebungen schei-
nen sich somit als eher schwierig zu gestalten, weil sie mit
einem Macht- und Einflussverlust insbesondere für große,
etablierte Verbände einhergehen.
Heute zählt der ZMD nur noch 33 muslimische Ver-
bände, Kultur- und Bildungszentren als Mitglieder. 
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Die
Deutsche Islam Konferenz spricht von 15.000 bis 20.000
Muslimen, die sich – als Einzelpersonen oder Gemein-
demitglieder – dem ZMD zugehörig fühlen. Etwa 300
Moscheegemeinden werden deutschlandweit nach eige-
nen Angaben von Mitgliedsorganisationen des ZMD
betrieben. 
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Der ZMD scheint also eine Art Sammelbe-
cken kleinerer Gemeinschaften zu sein, die sich durch den
Zusammenschluss größere Mitsprachemöglichkeiten in
der Politik erhoffen. Dies wirft die Frage auf, wie zent-
ral dieser Rat tatsächlich für die Muslime in Deutschland
und ihre Belange ist.
Da einzelne Politikfelder – wie die Bildungspolitik, unter
deren Zuständigkeit auch die Einrichtung eines islamischen
Religionsunterricht fällt – Ländersache sind, ist der ZMD
bestrebt, Landesverbände zu etablieren, die der föderalen
Struktur der Bundesrepublik entsprechen. So schafft er bun-
desweit eine Struktur, die einen Austausch mit Ansprech-
partnern aller föderalen Ebenen ermöglicht und folgt auch
damit einer lange gehegten Hoffnung staatlicherseits. Es
gibt bereits Landesvertretungen in Nordrhein-Westfalen
und Hessen, während für Niedersachsen, Rheinland-Pfalz,
Bayern und – als Gruppe – die neuen Länder zurzeit noch
Landesbeauftragte zuständig sind. 
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8 Zentralrat der Muslime in Deutschland: Selbstdarstellung, vgl.
­
rat.de/2594.php [Stand: 01.06.2015].
9 Vgl. Lemmen (wie Anm. 7), S. 88.
10 Ebd.
11 Ebd., S. 90.
12 Zentralrat der Muslime in Deutschland: Selbstdarstellung, vgl.
[Stand: 01.06.2015].
13 Ebd.
14 Ebd.
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