Einsichten und Perspektiven 2|15 - page 23

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Islam in Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Die Moschee in Penzberg, Landkreis Weilheim-Schongau
Foto: ullsteinbild- imageBROKER/Harmut Pöstges
Die Herausbildung einer neuen Weltmacht über eine
Vielzahl an Völkern
Die von den Quraisch begründete Umayaden-Dynastie
(661–750 n.Chr.) legte den Grundstein für ein neues Welt-
reich von Andalusien über Nordafrika bis nach Zentrala-
sien. Sie kann noch als weitestgehend arabische Dynastie
bezeichnet werden, denn sie zementierte die Macht und
den Einfluss des arabischen Stammes der Quraisch aus
Mekka. Durch die Ausdehnung ihres Reiches und der Reli-
gion des Islam auf die eroberten Völker wurden aber auch
immer mehr Nichtaraber Teil des neuen Weltreiches. Diese
wollten nicht dauerhaft Bürger zweiter Klasse sein. Außer-
dem regte sich zunehmend Verdruss unter den Menschen,
weil ihnen die Umayaden zu sehr auf den Erhalt und Aus-
bau ihrer weltlichen Macht zielten und sich weniger für die
Pflege und weitere Verbreitung des islamischen Glaubens
einsetzen. So kam es 750 n.Chr. zu einem Aufstand, der
die Abbasiden-Dynastie (Nachfahren einer anderen mit
Muhammad verwandten Blutlinie) an die Macht brachte.
Unter abbasidischer Herrschaft (750–1258 n. Chr.)
wurde die aufsteigende Macht zunächst konsolidiert und
auch die zum Islam konvertierten Perser konnten neben
den arabischen Muslimen zu neuem Einfluss gelangen.
Durch die Einbindung verschiedener Völker wurde der
Islam unter den Abbasiden zum einenden Moment des
neuen Weltreichs und gelangte – über den Seehandel –
bis nach Südostasien. Die dortigen Menschen und einige
Herrscher nahmen den Islam an, blieben gesellschaftlich
und politisch aber weitestgehend autonom vom Einfluss-
bereich der abbasidischen Kalifen. Aufgrund der Größe des
islamischen Reiches spalteten sich zudem in zunehmen-
dem Maße auch jenseits des irakischen Kernlandes – etwa
in Nordafrika, Zentralasien oder Persien – immer wieder
autonome Reiche ab, deren Herrscher die frühere Eigen-
ständigkeit ihrer Regionen, Stämme oder Völker wiederer-
langen wollten. Ebenso drängten Turkvölker, wie die Mon-
golen und die Seldschuken, vehement in das Territorium
des Reiches vor und schmälerten die Macht der Kalifen in
Bagdad, bis ihr Reich schließlich zerfiel. So entstanden im
16. Jahrhundert von Ostanatolien über den heutigen Iran
bis nach Zentralasien das schiitisch dominierte Reich der
persischen Safawiden und rund um das Mittelmeer stiegen
die sunnitisch-türkischen Osmanen zu neuen Machthabern
auf. Die arabischen Muslime fanden sich nun unter der
Vorherrschaft anderer ethnischer Gruppen wieder.
Diese wechselvolle Geschichte zeigt, dass sich zu
unterschiedlichen Zeiten immer wieder neue Völker und
Glaubensrichtungen die Dominanz in der islamischen
Welt oder Teilen davon sicherten. Sie gestalten auf ganz
unterschiedliche Art den Islam und ließen bei der Etab-
lierung ihrer Reiche auch lokale, kulturelle und geschicht-
liche Traditionen in ihre Herrschaft einfließen, um ihren
Machtanspruch zu sichern. Dadurch prägten sie nicht nur
den Islam als Religion, sondern ebenso die Art des Zusam-
menlebens der unterschiedlichen Völker und Glaubens-
gemeinschaften.
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