Einsichten und Perspektiven 2|15 - page 22

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Islam in Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
pretation verfälscht, deshalb sollen auch sie zum Islam
übertreten und wieder zum wahren Glauben zurückfin-
den. Als nun die muslimische Gemeinschaft in Medina
immer mehr Zulauf bekam, die jüdischen Stämme aber
nicht zu dem neuen Glauben übertreten wollten, ver-
trieb der Prophet sie mit seinen Anhängern aus der Stadt.
Hatte seine Gemeinschaft bis zu diesem Zeitpunkt noch
in Richtung Jerusalem (arabisch:
al-Quds),
der Heiligen
Stadt der Juden und Christen gebetet, so wandten sie sich
nach dieser Auseinandersetzung nun zu der abrahamiti-
schen Kaaba in Mekka hin, die als Ursprung des wahren
monotheistischen Glaubens galt.
Als die muslimische Gemeinschaft an Stärke und Größe
so stark zugenommen hatte, dass sie ein Kräftemessen
mit den mekkanischen Stämmen nicht länger fürchten
musste, zog Muhammad mit seinen Gefolgsleuten zurück
nach Mekka und nahm die Stadt bald darauf ein. Immer
mehr Einwohner, aber auch Händler, folgten nun dem
neuen Glauben, so dass sich der Islam auf der gesamten
Arabischen Halbinsel ausbreiten konnte.
Aufspaltung der muslimischen Gemeinschaft infolge
von Nachfolgestreitigkeiten
Im Jahr 632 n. Chr. starb der Prophet Muhammad. Sein
Tod führte zuStreitigkeitenunter seinenAnhängern, dermus-
limischen Gemeinschaft (arabisch:
umma).
Seine Gefährten
wollten einen Nachfolger aus ihren Reihen heraus wählen
und bestimmten den Schwiegervater Muhammads, Abu
Bakr, zum ersten Kalifen (Statthalter). Sie wurden nach-
folgend Sunniten (arabisch:
Ahl as-Sunna
=Volk der Tra-
dition/Überlieferung Muhammads) genannt. Eine andere
Gruppe vertrat jedoch die Ansicht, dass Muhammad in
einer Predigt kurz vor seinem Tod bereits indirekt seinen
Vetter und Schwiegersohn,
ʿ
Alī Ibn Abū Tālib, zu sei-
nem Nachfolger bestimmt hätte. Diese Gruppe wurde in
der Folge als Schiiten (arabisch:
Schī
ʿ
at
ʿ
Alī =Partei Alis)
bekannt.
Auch wenn
ʿ
Alī Ibn AbūTālib an vierter Stelle zu einem
späteren Zeitpunkt doch noch das Kalifenamt übertragen
wurde, wurde die Uneinigkeit über die Befolgung der
Offenbarungen Gottes unter beiden Gruppen mit der
Zeit so groß, dass sie getrennte Wege gingen und sich zwei
unterschiedliche Strömungen, die Sunniten und die Schi-
iten, herausbildeten. Insbesondere die vor dem Propheten
in Mekka tonangebenden Stämme der Quraisch bean-
spruchten die Führung des aufstrebenden Reiches für sich
und zogen immer wieder gegen die direkten Nachkom-
men des Propheten zu Felde. So richteten sie beispiels-
weise im Jahr 680 bei Kerbela ein Massaker an, bei dem
Hüseyin, der Sohn
ʿ
Alīs, und fast seine gesamte Familie
und Anhängerschaft ausgelöscht wurden. Diese Ereignisse
wirken bis heute unter den Anhängern
ʿ
Alīs nach.
Muslime in Deutschland nach Glaubensrichtung in Prozent 
Schiitisch
Alvetisch
Ahmadi
Sufi/Mystiker
Ibadit
Sonstige
Sunnitisch
7,1 %
12,7 %
1,7 %
0,1 %
0,3 %
74,1 %
4,0 %
Quelle: Sonja Haug/Stephanie Müssig/Anja Stichs: Muslimisches Leben in Deutschland, hg. v.d. Deutschen Islam Konferenz/Bundesamt für Migration und Flücht­
linge, Nürnberg 2009, S. 97; eigene Grafik
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