Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 67

Die vergessenen Frauen von Aichach
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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ein Zeitraum von weniger als fünf Jahren liegt. Die
Untersuchungshaft und Strafverbüßung hemmen
den Lauf der Frist.“
2
Über die so Definierten hinaus konnten – aus-
nahmsweise, wie es hieß – auch Personen inhaf-
tiert werden, die zwar noch nicht vorbestraft wa-
ren, aber einen verbrecherischen Willen zu solchen
Handlungen offenbarten.
Dem Erlass vom 13. 11. 1933 folgten am 24. No-
vember 1933 das „Gesetz zur Bekämpfung gefähr-
licher Gewohnheitsverbrecher“, zahlreiche weitere
Anordnungen sowie Verhaftungsmaßnahmen,
in denen die verbliebenen Reste rechtsstaatlicher
Garantien beseitigt wurden.
In den Konzentrationslagern wurde die Gruppe
dieser sogenannten Berufsverbrecher mit dem
grünen Winkel markiert. Sie bildeten eine der sehr
heterogenen Gruppen in den Lagern, als Gruppe
teilweise auch diskriminiert von den anderen
Häftlingen. Die politischen Häftlinge waren häufig
der Überzeugung, dass die Inhaftierung der „Krimi-
nellen“ in den Lagern vor allem deshalb erfolge,
um sie, die politischen Häftlinge, zu diskreditieren,
indem man in der Öffentlichkeit den Eindruck zu er-
wecken versuche, die Insassen der Konzentrations-
lager seien allesamt Kriminelle. Die SS in den Kon-
zentrationslagern versuchte, die Gruppe der politi-
schen, mit dem roten Winkel markierten Häftlinge
gegen die Gruppe der „Grünen“ auszuspielen.
In den Erinnerungen der politischen Häftlinge und
zumTeil auch in der frühen Literatur zu den Kon-
zentrationslagern finden sich Darstellungen, in de-
nen „grüne“ Häftlinge vor allem als Helfershelfer
der SS gezeichnet werden, ein Bild, das der diffe-
renzierten Situation dieser so heterogenen Gruppe
von Häftlingen nicht gerecht wird; auch unter ihnen
gab es Helden, gab es Solidarität, gab es Resis-
tenz, gab es Anpassung. Auch sie waren demTer-
ror der SS und den mörderischen Bedingungen der
Haft in den Konzentrationslagern ausgeliefert.
Wie manche anderen Häftlingsgruppen, etwa die
der sogenannten Asozialen oder die der homose-
xuellen Häftlinge, blieb die Gruppe der als Berufs-
verbrecher verfolgten Menschen nach 1945 lange
vergessen; die Kontinuität gesellschaftlicher Vorur-
teile marginalisierte Wissen und Erinnerung an sie,
diejenigen, die überlebt hatten, blieben stumm.
Robert Sigel
2 Terhorst (wie Anm. 1), S. 79.
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72
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