Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 66

Solcher Ausschluss bedeutete nicht bloßes
Nicht-Dazugehören, sondern wurde mit unter-
schiedlichen Maßnahmen aktiv vollzogen. Zu die-
sen Maßnahmen gehörten die Stigmatisierung,
die Einweisung in Konzentrationslager – als Mittel
zur Erziehung durch Zucht, Ordnung und Arbeit,
wie propagiert wurde, und ebenso als Mittel der
Ausschaltung und Absonderung, die Zwangs-
sterilisation, die Ermordung in unterschiedlichen
Formen, im Rahmen der Euthanasieprogramme,
als Vernichtung durch Arbeit, als genozidaler Akt.
Zu den aus der Volksgemeinschaft Ausgeschlos-
senen gehörte auch die Gruppe der sogenannten
„Gewohnheitsverbrecher“ oder „Berufsverbre-
cher“. Ihr Ausschluss wurde sowohl als Mittel einer
Generalprävention im Rahmen der Verbrechens-
bekämpfung begründet wie auch aus dem biologis-
tischen Gesellschaftsverständnis der Nationalsozia-
listen heraus, dass asoziales und kriminelles Verhal-
ten in der Regel Veranlagung sei und dass so
veranlagte Personen in ihrer Mehrheit deshalb auf
Dauer ausgesondert, ihrer Fortpflanzungsfähigkeit
beraubt, letztlich „ausgemerzt“ werden müssten.
Die Möglichkeiten einer Inhaftierung als Präven-
tivmaßnahme im Rahmen vorbeugender Verbre-
chensbekämpfung wurden bereits vor 1933 disku-
tiert, das nationalsozialistische Regime machte in
fortschreitender Radikalität nun möglich, was zuvor
nur diskutiert worden war. Bereits am 13. Novem-
ber 1933, vor nunmehr 80 Jahren, unterschrieb
Göring einen Erlass des Preußischen Innenministe-
riums betreffend die „Anwendung der vorbeugen-
den Polizeihaft gegen Berufsverbrecher“. Die übri-
gen Länder wurden aufgefordert, gleichermaßen
solche Regelungen zu treffen, eine Aufforderung,
der diese nachkamen.
1
Als Rechtsgrundlage
nannte der Erlass Hindenburgs „Verordnung zum
Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933.
Der Kreis derer, die als „Berufsverbrecher“ nach
der Festnahme in Konzentrationslager überstellt
werden sollten, wurde folgendermaßen definiert:
Berufsverbrecher seien diejenigen, „welche der
Kriminalpolizei als Berufsverbrecher bekannt sind,
die ausschließlich oder zum größten Teil vom
Erlöse aus Straftaten leben. Als äußere Vorausset-
zung für die Anwendung der Vorbeugungshaft gilt
dabei, dass der Betroffene dreimal wegen eines
aus Gewinnsucht begangenen vorsätzlichen Ver-
brechens oder Vergehens zu Zuchthaus oder Ge-
fängnis von mindestens sechs Monaten verurteilt
worden ist und zwischen den einzelnen Straftaten
Die vergessenen Frauen von Aichach
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Die Konstituierung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft
nach der Machtübernahme 1933 definierte sich vor allem durch das
Instrument der Exklusion, den Ausschluss all jener, die nicht Teil
dieser „Volksgemeinschaft“ sein sollten: politische Gegner, Homo-
sexuelle, sogenannte Asoziale, Juden, Sinti und Roma, Behinderte,
Zeugen Jehovas und andere.
1 Siehe: Karl-Leo Terhorst: Polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugungshaft im Dritten Reich. Ein Beitrag zur
Rechtsgeschichte vorbeugender Verbrechensbekämpfung, Studien und Quellen zur Geschichte des Deutschen Verfassungsrechts, Reihe A:
Studien, Bd. 13, Heidelberg 1985, S. 75 ff. sowie: Julia Hörath: Terrorinstrument der „Volksgemeinschaft“? KZ-Haft für „Asoziale“ und
„Berufsverbrecher“ 1933 bis 1937/38, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 60, H. 6, 2012, S. 513–532.
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