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Ringbuch Inklusion zum Nachschlagen, Teil B, Stand Juli 2015
Ursache der nachteiligen Entwicklung können auch zu hohe Erwartungen der
Erziehungsberechtigten an ihr Kind oder an die inklusive Beschulung sein (z.B.
wenn versucht wird, die Lernziele zu erreichen, obgleich das Kind überfordert
ist). Hier muss die Schule die Erziehungsberechtigten auf die Überforderung des
Kindes hinweisen und Entlastungsmöglichkeiten für den Schüler aufzeigen. Dies
kann an Grund- und Mittelschulen insbesondere durch abweichende Lernziele,
Notenaussetzung oder durch reduzierte Hausaufgaben erfolgen. Sofern die
Erziehungsberechtigten
mit
den
Entlastungsmöglichkeiten
durch
Notenaussetzung und Lernzieldifferenz nicht einverstanden sind, sind sie darauf
hinzuweisen, dass bei einer zu erwartenden Fortsetzung der nachteiligen
Entwicklung ihres Kindes, ein Überweisungsverfahren an die Förderschule zum
Schutze der kindlichen Entwicklung durchgeführt wird. An weiterführenden
Schulen mit spezifischen Regelungen (z. B. an Gymnasien und an Realschulen)
wird lernzielgleich unterrichtet, Art. 30a Abs. 5 Satz 3 BayEUG. An diesen
Schulen mit spezifischen Regelungen besteht die Möglichkeit, gegebenenfalls
Nachteilsausgleich zu gewähren.
Es gibt aber auch Kinder und Jugendliche, die unabhängig von den Bemühungen
von Erziehungsberechtigten und Schule, sich an der Regelschule nicht
wohlfühlen und im obigen Sinne entsprechend darauf reagieren. Sie sind z.B.
von dem allgemeinen Tempo, das an der Regelschule herrscht, überfordert oder
kommen – trotz Akzeptanz seitens der Mitschüler – nicht damit zu recht,
schulisch schlechter zu sein oder aufgrund der Behinderung vieles nicht
mitmachen zu können bzw. schlicht anders zu sein. Diese Schüler haben ggf.
das Gefühl der Überforderung und des Alleinseins. Hier kann eine auf den
Förderschwerpunkt abgestimmte Schule mit ähnlich betroffenen Schülern der
Förderort sein, der die nötige emotionale Entlastung bringt und die kindliche
Entwicklung wieder positiv unterstützt. Insbesondere diese Schüler sind gemeint,
wenn das BayEUG die Überweisung bei einer Gefährdung der Entwicklung des
Kindes vorsieht.
Schwierig sind die Fälle, insbesondere im Bereich geistige Entwicklung, in denen
der Schüler in den vorgenannten Kompetenzbereichen nicht unbedingt eine
deutliche Verschlechterung zeigt, aber angenommen wird, dass er an der
Förderschule diese Kompetenzen erwerben könnte. Es stellt sich die Frage, ob
ein Stillstand an der Regelschule bzw. die Verhinderung eines Fortschritts an der
Förderschule auch eine Entwicklungsgefährdung darstellt. Eine solche
Gefährdung der (möglichen) Entwicklung lässt sich mit dem Wortlaut und Sinn
und Zweck des Art. 41 Abs. 5 BayEUG vereinbaren. Allerdings kann sich dies im
Hinblick auf das grundsätzliche Entscheidungsrecht der Erziehungsberechtigten
nur um Fälle handeln, in denen die möglichen Fortschritte an der Förderschule
erheblich wären. Dabei ist zu beachten, dass Lern- und Entwicklungswege an
der Regelschule und Förderschule unterschiedlich sein können (z.B. hinsichtlich
der Selbständigkeit) und manche Einschränkungen Teil der Behinderung sein
können, die auch an der Förderschule nicht wesentlich beeinflusst werden
können. Auch können Schulbegleiter eine wichtige Rolle spielen: Einerseits
ermöglichen und stärken sie, andererseits kann aber auch Überbehütung
entstehen, die z.B. die angestrebte zunehmende Selbständigkeit behindert; hier