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2.2.3 Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
Die Ausführungen in diesem Unterkapitel sind zum Teil dem Lehrplan für die bayeri-
sche Grundschulstufe, Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
(2002) entnommen
und fokussieren die Förderbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler
mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Ent-
wicklung.
Weitere praxisorientierte und nützliche Hinweise zur Inklusion in allen sonderpädagogischen
Förderschwerpunkten finden sich darüber hinaus in den folgenden Kapiteln
2.3 Sonderpä-
dagogischer Förderbedarf als Herausforderung der allgemeinen Schulen – ein Resü-
mee
und
2.4 Gedankliche Impulse zur Umsetzung schulischer Inklusion.
Fallbeispiel „Konstantin“
Konstantin wird in die 1. Klasse einer Grundschule in eine Kooperationsklasse aufgenom-
men. Der familiäre Hintergrund des Kindes ist belastend: Der Vater hat den Kontakt zu Kon-
stantin und den beiden Geschwistern abgebrochen. Die Mutter ist alleinerziehend. Sie ist
arbeitssuchend. Depressive Störungen und finanzielle Sorgen erschweren ihr die Organisa-
tion und Fürsorge für die Familie. Zeitweise ist in der Wohnung der Strom abgeschaltet.
Konstantin hat selten Pausenbrote dabei. Die Familie wird vom Jugendamt betreut.
Konstantin war bereits in der Kindertagesstätte sozial auffällig, er war aggressiv gegenüber
anderen Kindern. Von der Mutter konnte er sich nur schwer trennen. Zu Beginn der 1. Klasse
zeigt Konstantin Verhaltensweisen, die seine Integration in dieser Kooperationsklasse er-
schweren: Er verweigert die Mitarbeit im Unterricht, er ist desinteressiert und aggressiv: „Ich
hasse die Schule einfach nur!“ Konstantin provoziert Schlägereien in der Pause, er zerreißt
Arbeitsmaterial, macht provozierende Geräusche im Unterricht und macht nur selten seine
Hausaufgaben. Konstantin wird fast täglich aus dem Unterricht ausgeschlossen. Seine Lern-
fortschritte sind schwach. Die Lehrkraft der Grundschule ist durch Konstantins Verhalten
sehr belastet.
Die Lehrkraft des MSD berät die Kollegin und erstellt gemeinsam mit ihr einen Förderplan.
Konstantin bekommt einen Einzeltisch vorne in der Nähe der Lehrkraft. Es werden einzelne
erwünschte Verhaltensweisen ausgewählt, die Konstantin nach und nach erlernen soll. Je-
des Verhaltensziel wird mit Konstantin explizit besprochen. Als Erinnerungshilfe wird auf sei-
nem Schülertisch ein entsprechendes Bild angebracht. Wenn er das erwünschte Verhalten
zeigt, wird er sofort mit einem Stempelbild verstärkt.
Um die Pausensituation zu entschärfen, wird mit ihm ein persönlicher Aufenthaltsbereich im
Pausenhof – in der Nähe der Pausenaufsicht und weit entfernt von seinen üblichen Konflikt-
partnern - vereinbart und mit ihm besprochen, wie er die Pause zukünftig konstruktiv für sich
nutzen will. Dies wird in einem Vertrag festgehalten, den alle Vertragspartner, auch Konstan-
tin, unterschreiben. Bei Nichteinhaltung verpflichtet sich Konstantin dazu, die Pause zukünf-
tig im Schulgebäude unter Aufsicht zu verbringen.
Parallel dazu besucht er ein Anti-Aggressions-Training der MSD-Lehrkraft. In einer jahr-
gangsübergreifenden Kleingruppe lernt er, seine Wut zu erkennen und mit einem Wut-
Barometer einzuschätzen. Außerdem werden verschiedene Strategien zum Umgang mit Wut
erarbeitet und eingeübt (Fäuste in die Hosentasche stecken, dreimal tief ein- und ausatmen,
rückwärts von 10 - 0 zählen, an etwas Schönes denken).