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1. Einführung

Bestandsaufnahme – Status Quo – Entwicklung der Sonderpädagogik im

Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention in Bayern

Ein neuer Weg ist immer ein Wagnis.

Aber wenn wir den Mut haben, los zu gehen,

dann ist jedes Stolpern und jeder Fehltritt

ein Sieg über unsere Ängste,

unsere Zweifel und Bedenken.

Christoph Lichtenberg

Sonderpädagogik hat eine Jahrzehnte lange Umsetzungspraxis, vor allem in den Förder-

schwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, Hören, Sehen, kör-

perliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung sowie im Schwerpunkt Autismus-

Spektrum-Störungen. Bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Beschulung

von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch eine fachlich

grundgelegte Defizitorientierung und die Annahme der „Sonderschulbedürftigkeit“ geprägt.

Die 50er und 60er Jahre brachten zunächst eine Aufgliederung des Sonderschulwesens so-

wie eine sehr spezifische Ausrichtung der Einrichtungen nach den verschiedenen Behinde-

rungs- und Beeinträchtigungsformen hervor. Dies war im Sinne des Umsetzungsanspruches

des Grundanliegens einer Bildung für alle Kinder und Jugendlichen auch mit schwerer Be-

hinderung ein wahrer Durchbruch. Diese Zeit war geprägt von der Prämisse: „Bildung ist un-

teilbar“. 1994 läutete schließlich die Kultusministerkonferenz (KMK) mit ihren „Empfehlungen

zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland“ einen

Paradigmenwechsel ein. Von nun an war nicht mehr von „Behinderung“, sondern von „son-

derpädagogischem Förderbedarf“ die Rede, und die „Sonderschulbedürftigkeit“ wurde durch

die Zuständigkeit der allgemeinen Schule ersetzt. 2003 wurde dieser grundlegende Rich-

tungswechsel durch die Änderung des BayEUG auch für die bayerische Entwicklung prä-

gend. Hier hieß es: „Die sonderpädagogische Förderung ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten

Aufgabe aller Schulen.“ (BayEUG Art. 2, Abs. 1). Als Bedingung zur integrativen Beschulung

wurde das Kriterium der „aktiven Teilnahme“ vorausgesetzt. Damit verbunden war der Para-

digmenwechsel weg vom Prinzip der Lernzielgleichheit hin zum Prinzip der individuellen För-

derung, orientiert am Lernfortschritt des einzelnen Schülers. Diese wertvolle Möglichkeit der

integrativen, lernzieldifferenten Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpäda-

gogischem Förderbedarf wurde mit der Perspektive „Integration durch Kooperation“ verse-

hen. Sie war der Ausgangspunkt für zahlreiche neue, kooperative Projekte und bildete den

Grundstein für vielseitiges, integratives pädagogisches Denken und Handeln.